Deutsche Mineralogische Gesellschaft

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Das Fracking Dilemma

Stellungnahme der Vorstände der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft DMG, der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft DGG und der Paläontologischen Gesellschaft

In zwei Stellungnahmen haben vor kurzem der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler BDG [1] und die Deutsche Geologische Gesellschaft - Geologische Vereinigung DGGV [2] die Aufhebung des seit 2017 in Deutschland geltenden Fracking-Verbotes gefordert. Es gibt jedoch Sichtweisen in den Geowissenschaftlichen Fachvereinigungen in Deutschland und vieler Mitglieder, die nicht für eine eindeutige Unterstützung von Fracking sprechen (siehe dazu auch eine Ergänzung der DGGV [3]). Im Kern geht es um zwei Positionen, die, gegenübergestellt, ein Dilemma darstellen.

1) Zur Minderung der Abhängigkeit von ausländischen Energieimporten nach dem Ausfall russischen Erdgases wird in beiden Stellungnahmen für die Aufhebung des seit 2017 in Deutschland geltenden Fracking-Verbotes plädiert, um die Förderung von Erdgas aus heimischen Schiefergasquellen als – nach Ansicht der Autoren – zurzeit noch unverzichtbarem Energieträger zu ermöglichen. Mit eventuellen Umweltschäden beim Hydraulic Fracturing (z.B. Grundwasserkontamination, induzierte Erdbeben) hat sich die „Expertenkommission Fracking“ der Bundesregierung in multi-disziplinärer Besetzung ausführlich befasst und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt, so dass die mit der Technik verbundenen Risiken beherrschbar scheinen [4]. Zudem entstünde bei dem heimisch gewonnenen Gas durch Wegfall der bei importiertem LNG notwendigen Gasverflüssigung und Regasifizierung ein 20 % geringerer CO2-Fußabdruck. In der Tat ist es dann schwer zu rechtfertigen, warum der Import von durch Hydraulic Fracturing gewonnenem LNG-Gas besser sei als die Förderung heimischen Gases unter höheren Umweltstandards.

2) Jedoch kann man die Frage der Energie-Versorgungssicherheit nicht losgelöst von den Folgen für das Erdklima behandeln. Jeder Gasförderung folgt die Nutzung, die große CO2-Emissionen erzeugt. Dabei ist es nicht entscheidend, ob bei Nutzung heimischer Quellen 20 % geringere CO2-Emissionen als bei importiertem LNG entstehen. Ein paar Zahlen zu der Klimawirkung von Erdgas veranschaulichen, dass sowohl heimisches Schiefergas als auch importiertes LNG nur eine Zwischenlösung sein dürfen. Deutschland emittiert derzeit pro Jahr 760 Millionen Tonnen CO2eq [5] und liegt damit auf dem 7. Platz aller Nationen, wovon 180 Millionen Tonnen aus Erdgas stammen. Laut Klimaschutzgesetz der Bundesregierung (das für den deutschen Beitrag zum Einhalten der 1.5°C-Grenze sogar 10 Jahre zu langsam ist) [6] müssen diese Emissionen bis zum Jahr 2030 auf 400, bis 2040 auf 100 Millionen, und bis 2045 auf 0 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr reduziert werden6. Laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen betragen die Deutschland zustehenden CO2-Restemissionen zur Einhaltung der 1.5°C-Grenze 2.000 bis 3.000 Millionen Tonnen5. Das Emissionspotenzial aus Schiefergas ergibt sich aus den Abschätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR, nach denen zwischen 340 und 2.300 Milliarden Kubikmeter Schiefergas förderbar sind [7]. Würde all dies Gas verbrannt werden und unter Berücksichtigung, dass 2 % des Methans bei der Förderung direkt in die Atmosphäre entweichen, würden sich CO2-äquivalent Emissionen von zwischen 700 und 4.600 Millionen Tonnen ergeben. Die Hebung und Verbrennung selbst eines Teiles dieses beträchtlichen einheimischen Klimagases ist inkompatibel mit den deutschen und weltweiten Klimazielen.

Die Frage ist daher nicht, ob Deutschland sein Gas als LNG aus dem Ausland oder aus einheimischem Schiefergas bezieht, sondern in welchem Umfang dessen Nutzung kompatibel mit den Klimazielen ist. Der Aufbau einer weiteren heimischen Infrastruktur zur Nutzung einer fossilen Energiequelle würde den Druck für die schnelle Umsetzung der dringend notwendigen Energiewende verringern [8]. Setzt man sich aus Sicht der Energie-Versorgungssicherheit also für eine Aufhebung des Fracking-Verbotes ein, muss man sich aus klimawissenschaftlicher Sicht gleichzeitig für eine strikte zeitliche Begrenzung dieser Übergangstechnologie einsetzen. Laut Studien deutscher WirtschaftswissenschaftlerInnen gilt es zu verhindern, dass jetzt aus der Situation einer akuten Versorgungsknappheit neue Lock-In-Effekte entstehen, bei denen die Förderung fossiler Energie auf viele Jahre hinaus festgeschrieben wird [9]. Eine Orientierung für die globale Energiewende präsentiert die International Energy Agency [10], und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme bietet diverse Szenarien für Deutschland an [11]. So können fossile Energieträger bis 2045 auf fast null gefahren werden, und durch Solar-, Wind-, Bioenergie, Geothermie und Importe synthetischer Energieformen in Verbindung mit der Entwicklung von Speichertechnologien ersetzt werden. Konsequentes Einsparen sollte ein unvermeidlicher Teil des Portfolios werden.

Welche dieser Wege verfolgt werden und wie sie mit der Energie-Versorgungssicherheit Deutschlands ausbalanciert werden, ist Entscheidung der Politik. Mit unserer Perspektive auf das gesamte Erdsystem können und sollten wir als Geowissenschaftler zu den Konsequenzen auf verschiedenen Zeit- und Raumskalen beraten, und unsere Kompetenz zur Umsetzung der Energiewende nach Kräften einsetzen: Durch Erforschung von Metallrohstoff-Vorkommen (inklusive der umweltschonenden Nutzung einheimischer Vorkommen) und -Recycling, durch Entwicklung neuer Materialien (z.B. mit negativer CO2-Stoffbilanz als Zementersatz) und Energiespeichermethoden, durch Nutzen der Bohrtechnologie für geothermische Energiegewinnung und durch Entwicklung neuer negativer CO2-Emissions-Verfahren. Dazu gehört auch die Kommunikation unangenehmer Perspektiven: die Energiewende wird eine große Ausweitung des Bergbaus und der Nutzung des Untergrundes erfordern – auch in Deutschland. Hier ist die Glaubwürdigkeit der gesamten Geowissenschaften gefragt. Nehmen wir die Klimakrise ernst, und wollen wir die Energiewende zum Erfolg führen, könnte sich auch in diesem Kontext der kurzfristige Ausbau neuer fossiler Energieinfrastruktur langfristig als ein Schritt in die falsche Richtung erweisen.

 


[1]https://geoberuf.de/presse/pressemitteilungen/mitteilung/unabhaengige-geowissenschaftler-unterstuetzen-den-lindner-vorstoss-zum-fracking-und-fordern-spd-und-gruene-auf-ihre-blockade-aufzugeben

[2]https://idw-online.de/de/news804431

[3] Siehe Ergänzung zu ursprünglicher Stellungnahme https://www.dggv.de/geowissenschaftlerinnen-und-geowissenschaftler-der-dggv-unterstuetzen-umweltfreundliche-erdgasgewinnung-in-deutschland-unter-einsatz-des-fracking-verfahrens/ und https://www.dggv.de/reaktion-der-jungen-dggv-auf-die-pressemitteilung-der-dggv-zum-thema-fracking/

[4]Bericht der Expertenkommission Fracking der Deutschen Bundesregierung, 2021

[5]Treibhausgas-Emissionen in Deutschland. Umweltbundesamt, 2022. CO2-Äquivalent schließt neben CO2 andere Klimagase wie Methan ein, die gemäß ihrer Klimawirkung CO2 entsprechend in „CO2-Äquivalent“ umgerechnet werden.

[6]Wie viel CO2 darf Deutschland maximal noch ausstoßen? Umweltrat aktualisiert CO2 Budget, 2022. Sachverständigenrat für Umweltfragen.

[7]Ladage et al. 2016, Schieferöl und Schiefergas in Deutschland. Potenziale und Umweltaspekte, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

[8] Kemfert et al. (2022), The expansion of natural gas infrastructure puts energy transitions at risk. Nature Energy, DOI: 10.1038/s41560-022-01060-3

[9] dto.

[10]Net zero by 2050. A roadmap for the global energy sector, 2021. International Energy Agency. iea.li/nzeroadmap

[11]Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem, 2022. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme.

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