Deutsche Mineralogische Gesellschaft

Willkommen auf der Webseite der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft e.V. (DMG)

Einblicke in die Mineralogie und Kristallographie – Prof. Dr Claudia Weidenthaler

Interviewserie über „Angewandte Mineralog*innen“ und „Kristallograph*innen“

Prof. Dr. Claudia Weidenthaler

Lieblingsmineral: Opal, Yowah, Queensland, Australien (Foto: J.J. Harrison – CC-BY-SA-2.5)

1. Wie sind sie zu ihrem Fachgebiet gekommen und was hat sie motiviert sich darauf zu spezialisieren?

Mein Weg zu meinem jetzigen Fachgebiet war nicht direkt, sondern ich habe viele Abzweigungen genommen- und bin außerordentlich froh darüber. Ursprünglich habe ich an der Universität Würzburg Geologie/Paläontologie bis zum Vordiplom studiert. Die inhaltliche Breite des Studiums von Gesteinskunde oder Tektonik über Botanik bis hin zu Vorlesungen in Zoologie, Chemie und Physik hat mir sehr gut gefallen und ich profitiere noch heute von dieser enorm breiten Ausbildung. Trotzdem habe ich schon damals gemerkt, dass mir die Arbeit im Labor deutlich besser gefällt als im Gelände, und so habe ich mich für die Studienrichtung Mineralogie/Geochemie/Lagerstättenkunde am Institut von Martin Okrusch entschieden. Die Arbeit mit all den verschiedenen analytischen Techniken hat mir sehr viel Spaß gemacht und da mich die Röntgendiffraktometrie besonders interessiert hat, war es naheliegend, dass ich mich mehr der Kristallographie zugewandt habe. In meiner Diplomarbeit bei Ekkehart Tillmanns beschäftigte ich mich dann mit der Charakterisierung und Strukturanalyse eines natürlichen Minerals aus der Eifel, dem Orschallit. Während meiner Promotion bei Reinhard Fischer an der Universität Mainz stand dann die Synthese und strukturelle Charakterisierung synthetischer Zeolithe im Mittelpunkt meiner Arbeit. Mein Zweitbetreuer, Klaus Unger, war Professor für Anorganische Chemie, und so interessierte ich mich immer mehr für synthetische Funktionsmaterialien. Irgendwann habe ich dann die geowissenschaftlichen Kernthemen verlassen und mich mehr und mehr den verschiedenen Charakterisierungsmethoden wie Beugungstechniken, Elektronenmikroskopie und spektroskopischen Methoden zugewandt. Seit mehr als 25 Jahren arbeite ich als Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Außerdem bin ich außerplanmäßige Professorin an der Fakultät für Chemie der Universität Duisburg-Essen. Ich leite am Max-Planck-Institut die Arbeitsgruppe „Pulverdiffraktometrie und Oberflächenspektroskopie“ und beschäftige mich mit meinem Team mit der Aufklärung von Struktur-Eigenschafts-Wechselwirkungen von Katalysatoren, vor allem für Energiethemen. Das reicht von Kohlenstoffmaterialien für Elektroden über Perowskite für die elektrochemische Wasserspaltung zur Erzeugung von Wasserstoff, Zeolithe für die Gastrennung und -speicherung bis hin zu Metallen und Legierungen für die Synthese von Ammoniak für die Düngemittelherstellung. Dabei wende ich immer noch Methoden an, die ich während meines Studiums gelernt habe. Der Schwerpunkt aller Arbeiten liegt immer auf der Implementierung von in-situ-Methoden, die es erlauben, Funktionsmaterialien während ihrer Anwendung unter Reaktionsbedingungen zu analysieren. Heute schließt sich für mich der Kreis, denn die moderne mineralogische Forschung nutzt alle aktuellen Techniken und hat auch synthetische Materialien in ihr Themenspektrum aufgenommen. Damit habe ich viele Anknüpfungspunkte zu Kolleginnen und Kollegen aus der Mineralogie und Kristallographie, die sich mit natürlichen Verbindungen beschäftigen und die Analytik, die ich betreibe, nutzen möchten.

2. Welches sind die größten Herausforderungen, denen sie in ihrem Fachgebiet begegnen, und wie gehen sie damit um?

Eine Herausforderung in meinem speziellen Fall war sicherlich, dass ich vor 25 Jahren als Mineralogin in einem chemischen Forschungsinstitut angefangen habe zu arbeiten und man mich immer mit der Gesteinsforschung im Gelände in Verbindung gebracht hat. Es war ein langer Weg, bis man akzeptierte, dass ich eine fundierte kristallographische Ausbildung habe, die es neben dem Lösen von Kristallstrukturen erlaubt, Struktur-Eigenschaftsbeziehungen aufzuklären und zu verstehen. Ich profitiere ganz eindeutig von meinen Kenntnissen auf den Gebieten der Kristallchemie und Geochemie und von all den analytischen Methoden, die ich mir während und nach meinem Studium der Mineralogie und Kristallographie angeeignet habe. In den vielen Jahren, in denen ich erfolgreich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Chemie zusammengearbeitet habe, ist mir klargeworden, dass die Lehrinhalte, die uns während des Studiums der Mineralogie vermittelt wurden, nicht zu den Lehrinhalten anderer Disziplinen wie eben der Chemie oder der Physik gehören. Wenn diese mineralogischen Lehrinhalte in Zukunft wegfallen, geht das gesamte Grundlagenwissen verloren, es wird nicht von anderen Disziplinen abgedeckt. Ich beobachte das bereits in der Kristallographie, deren Lehrstühle weitgehend geschlossen wurden. Die dort vermittelten Lehrinhalte lassen sich nicht oder nur unzureichend in die Curricula beispielsweise eines Chemiestudiums integrieren. Dafür fehlt im gestrafften Studium schlicht die Zeit und teilweise auch das Lehrpersonal und wir können diesen Wissensverlust auch nicht durch einzelne Workshops aufhalten.

3. Welchen Rat würden sie jungen Menschen geben, die sich für ihr Fachgebiet interessieren?

Meine Doktorandinnen und Doktoranden haben sicher manchmal das Gefühl, dass sie viel zu viele Charakterisierungsmethoden lernen müssen. Aber genau diese analytische Breite, gepaart mit aktuellen Forschungsthemen und innovativen Materialien, ist heute der Schlüssel für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Ich rate allen jungen Leuten, sich thematisch breit aufzustellen, über den Tellerrand zu schauen, neugierig zu bleiben, auch wenn man sich manchmal durchbeißen muss. Mein Team ist sehr bunt und heterogen. Ich habe Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler, Mineraloginnen und Mineralogen, Materialwissenschaftlerinnen und Materialwissenschaftler, Chemikerinnen und Chemiker, Physikerinnen und Physiker sowie Metallurginnen und Metallurgen in der Gruppe, und ich glaube, dass dieses offene, interdisziplinäre Arbeiten sehr wichtig ist, um Zukunftsfragen lösen zu können.

4. Was ist ihr Lieblingsmineral?

Das ist sicher die schwierigste aller gestellten Fragen und ich habe lange darüber nachgedacht. Es ist ganz klar der Opal, ein amorphes Mineral, das ein fantastisches Farbenspiel zeigt und sich je nach Lichteinfall ständig verändert. Opale wirken daher sehr geheimnisvoll. Außerdem sind Opale ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Natur Prototypen für synthetische Analoga mit interessanten Eigenschaften liefern kann. Opale gehören zu den photonischen Kristallen, die beispielsweise für photovoltaische Anwendungen oder in der Halbleiterelektronik erforscht werden.

 

 

 

 

News und Ankündigungen zur Veröffentlichung senden Sie bitte an:

Dr. Stephan Buhre (Webredakteur)
Tel: +49 (0)6131 39 24112
E-Mail: buhre(at)uni-mainz.de

Cookies helfen uns bei der Bereitstellung unserer Dienste. Durch die Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen.

MEHR ERFAHREN