Deutsche Mineralogische Gesellschaft

Willkommen auf der Webseite der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft e.V. (DMG)

Wort des Vorsitzenden - GMIT 95

Liebe DMG-Mitglieder, in den Tagen, in denen ich diese Zeilen schreibe, finden in vielen großen und kleinen Städten Deutschlands Demonstrationen und Kundgebungen gegen den erstarkenden Rechtsextremismus statt, der durch die blaugefärbten Braunen wieder in die Parlamente getragen wird. Bevor ich jedoch weiter darauf eingehe, möchte ich ein paar demographische Daten über unsere DMG mit Euch teilen, die, wie ich finde, ein recht optimistisches Bild für die Zukunft vorzeichnen. Ich beziehe mich hier auf langfristige Entwicklungen, weil ich glaube, dass man aus kurzfristigen Schwankungen nicht viel herauslesen kann. Die Entwicklung der Mitgliederzahlen der DMG seit Gründung der Bundesrepublik lässt sich grob in zwei Phasen einteilen (Abb.1): seit der Neugründung der Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg bis kurz nach der deutschen Wiedervereinigung wuchs die Mitgliederzahl linear an (mit etwa 35 pro Jahr). Seither fluktuiert sie nun um einen Wert von etwa 1.500 Mitgliedern. Für die Zukunft der Gesellschaft sind jedoch, wie ich meine, nicht allein die Gesamtzahlen relevant, sondern vor allem auch die Altersstruktur. Hier zeigt sich für die DMG eine gesunde und nachhaltige Verteilung mit einer gleichmäßigen und repräsentativen Verteilung über alle Altersgruppen (Abb. 2 und 3). Etwa die Hälfte der Mitglieder ist unter fünfzig Jahre alt, und alle Lebensjahrzehnte haben ähnliche Anteile an der Altersverteilung (Abb. 2). Insofern ist in der DMG eine gesunde Mischung aus Erfahrung und Nachwuchs repräsentiert. Aus dem Histogramm in Abb. 3 lassen sich zudem wohl verschiedene Dinge ablesen: die Zahl der Mitglieder ab 45 Jahren und älter folgt in etwa den Geburtenraten dieser Jahrgänge (abgeschwächt durch die natürliche Lebenserwartung bei den hohen Altern). Das Histogramm zeigt auch, dass uns die Mitglieder auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben erhalten bleiben, so dass die Zahlen zu hohen Altern langsam abnehmen, statt bei einem Alter von Mitte/Ende 60 einzubrechen. Bei den jungen Mitgliedern gibt es erfreulich hohe Zahlen, die trotz der weiterhin niedrigen Geburtenraten, sogar am stärksten vertreten sind. Diese Gruppe beinhaltet den Großteil der Studierenden (Bachelor, Master und Doktoranden), die einen ermäßigten Mitgliedsbeitrag bezahlen und mit einem Anteil von etwa 20 Prozent der Mitglieder einen etwa doppelt so großen Anteil haben, wie bei den drei anderen großen, im DVGeo organisierten Gesellschaften. Gerade diese deutliche Repräsentation an jungen Mitgliedern lässt mich optimistisch in die Zukunft der DMG blicken. Bei der letzten Wahl habt Ihr mit Ina Alt (VU Amsterdam) eine Person aus dieser Nachwuchsgruppe zur Schriftführerin gewählt und damit in den engeren Vorstand abgeordnet. Außerdem hat die letzte Vollversammlung in Wien entschieden unsere Nachwuchsgruppe YoungMins in den Status einer Arbeitsgruppe zu heben, so dass sie im erweiterten Vorstand vertreten sind. Ich hoffe, dass sich die jüngere Hälfte der DMG-Mitglieder durch all diese Entwicklungen ermutigt fühlt, in Zukunft weiter Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft der Gesellschaft zu gestalten. Gerade im Prozess um die Stärkung des DVGeo und die Vereinigung der deutschen geowissenschaftlichen Gesellschaften, ist Eure Stimme besonders wichtig!

 

Nach soviel Optimismus nun zurück in die Gegenwart. Der DVGeo hat sich seit Anfang des Jahres 2023 mit der Frage beschäftigt, wie sich der Verband zu Fragen von politischem Interesse äußern soll. Hierzu wurde ein Leitfaden entworfen, der sich stark an den Wiener Thesen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Leopoldina orientiert. Der Entwurf wurde auch von Vorstand und Beirat der DMG befürwortet. Der DVGeo ist ein Lobby-Verband und es zählt zu seinen Aufgaben mit Akteuren aus der Politik aktiv in Kontakt zu treten.Im Kern geht es in dem diskutierten Entwurf, wie auch in den Wiener Thesen darum, wie dieser Austausch mit der Politik und die Politikberatung aussehen sollte. Es besteht prinzipiell Einigkeit darüber, dass gute Beratung aus der Wissenschaft darin besteht, in Fragen, die das Fach betreffen, den aktuellen fachlichen Kenntnisstand einschließlich der Unsicherheiten auf eine Weise für die politischen Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit herunter zu brechen, die es diesen ermöglicht, die jeweiligen Konsequenzen der zutreffenden Entscheidung zu verstehen. Es ist nicht die Aufgabe der Wissenschaft selbst, eine bestimmte Entscheidung zu erzwingen. Ein Kernsatz im Entwurf der Erklärung des DVGeo heißt demnach: „Die Wissenschaft soll die Politik so umfassend wie nötig informieren. Legitimation politischen Handelns ist nicht ihre Aufgabe.“ Die DMG ist Mitglied im DVGeo, ist aber selbst kein Lobby-Verband, unternimmt also keine Politikberatung. In (§ 1) unserer Satzung heißt es: „Ausschließlicher Zweck der DMG ist es, die mineralogische Wissenschaft mit allen ihren Gebieten in Lehre und Forschung sowie die persönlichen und wissenschaftlichen Beziehungen der Mitglieder zueinander zu fördern.“ Insofern könnte man argumentieren, dass der Vorstand mit jeglichen Äußerungen über Themen mit politischer Relevanz sein Mandat verletzt, in Missachtung der Satzung. So einfach kann man es sich allerdings nicht machen; erstens würden wir uns selbst obsolet machen, wenn wir nur Themen ansprächen, die in der Gesellschaft keine Rolle spielen, und zweitens gibt die Politik die Rahmenbedingungen vor, in der sich die Mineralogie (und alle anderen Wissenschaften) entwickeln können und in der die persönlichen und wissenschaftlichen Beziehungen der Mitglieder zueinander gedeihen können. In historisch bisher einmalig extremem Maße, wurde dies in der Folge der Wahl der Nationalsozialisten zur deutschen Regierung vor 90 Jahren offenbar. Neben den allseits bekannten Gräueltaten der Nazis, zerstörten diese auch sehr nachhaltig das deutsche Wissenschaftssystem. Sie zerrütteten es schon lange vor Beginn ihres Angriffskrieges und katapultierten es von einem weltweit angesehenen und bewunderten Vorreiter in den Geistes- und Naturwissenschaften an den Rand der Bedeutungslosigkeit. Dies geschah vor allem durch die systematische Diskriminierung gegen Wissenschaftler* innen, die im Sinne der Nazis nicht Teil der Gemeinschaft sein sollten. Carl Bosch hatte 1933 direkt bei Hitler zu intervenieren versucht und den Schaden für die Wissenschaft beschrieben, die die Diskriminierung gegen jüdische Wissenschaftler*innen in Deutschland anrichten würde. Hitler soll ihm geantwortet haben: „Dann wird das Reich eben einmal die nächsten hundert Jahre ohne Physik und Chemie auskommen!”. Damit war er ausnahmsweise mal recht nah an der Wahrheit. Auch die DMG hat durch die faschistische Diktatur erheblichen Schaden genommen. Allein die Entwicklung der Mitgliederzahlen zeigt dies sehr eindrucksvoll. In den 1920er Jahren war die Zahl der Mitglieder bereits auf etwa 500 angestiegen (Abb. 4), aber das Dritte Reich und sein Krieg führten zu einem fast vollständigen Erliegen der Aktivitäten der DMG. Der zaghafte Wiederaufbau begann mit ein paar Dutzend Übriggebliebenen, vor allem aber ohne die Mineralogen jüdischer Abstammung, die die Mineralogie im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert mit geprägt hatten. Erst Mitte der 1950er Jahre erreichte die DMG wieder die Mitgliederzahlen aus den 1920er Jahren. Die wissenschaftlichen Impulse für die Mineralogie in Deutschland kamen in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts dann zum größten Teil aus den USA oder von Wissenschaftler*innen, die zumindest ein oder zwei Jahre an Universitäten oder Forschungseinrichtungen in den USA verbracht hatten.

 

Die NS-Vergangenheit der DMG wurde leider nie richtig aufgearbeitet, obwohl einige ehemalige Vorsitzende und Ehrenmitglieder bekanntermaßen Mitglieder der NSDAP waren, zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die Partei eingetreten waren und unterschiedliche Funktionen innerhalb des Systems ausgeübt hatten. Vorstand und Beirat der DMG haben diesen Mangel an Aufarbeitung bei der diesjährigen Sitzung in Bad Honnef eingehend diskutiert und den Entschluss gefasst, die Geschichte der DMG mit fachgerechter, externer Hilfe durchleuchten und aufarbeiten zu lassen. Dieser Prozess soll ergebnisoffen und wissenschaftlich fundiert durchgeführt werden und wird sicher einige Zeit in Anspruch nehmen. Im Fokus sollen hier vor allem die Mandatsträger der DMG stehen, wie Vorsitzende und eventuell andere Vorstandsmitglieder, sowie die Ehrenmitglieder. Von ebenso großem Inter- esse sind aber auch DMG-Mitglieder, die in der NS-Zeit basierend auf der NS-Doktrin diskriminiert wurden. Vorstand und Beirat haben ebenso eingehend über den gegenwärtigen Umgang mit Ehrenmitgliedern und Namensgebern von Preisen debattiert. Hierbei war man sich einig, dass es zu keiner Vorverurteilung der infrage stehenden Personen kommen darf. Erst nach Vorliegen eines fachlichen, historischen Gutachtens kann eine fundierte Diskussion über den Umgang mit den entsprechenden Namen und ihrem in Ehre gehaltenen Andenken geführt werden. Bis zur Fertigstellung des Gutachtens soll jedoch der nach Paul Ramdohr (Vorsitzender 1936–1947; NSDAP-Mitglied ab 1941) benannte Preis ausgesetzt werden und stattdessen ein gleichwertiger DMG-Nachwuchspreis vergeben werden. Vorstand und Beirat betonen einstimmig und mit Nachdruck, dass es sich bei diesem Schritt in keiner Weise um eine Vorverurteilung Paul Ramdohrs handelt; es soll lediglich vermieden werden, dass sich die bereits angestoßene Diskussion um die NS-Vergangenheit der DMG negativ auf den Namen des Preises oder die zu ehrenden Preisträger* innen auswirken könnte. Sicherlich hatten und haben faschistische Regime wesentliche schlimmere Auswirkungen als nur die Zerstörung der Wissenschaft – aber dies ist eben auch eine der Folgen ihrer verachtenswerten Machenschaften; und dies macht es zu einem Thema der Wissenschaftsgesellschaften. Deshalb liegt es im ureigenen Interesse der Wissenschaft, die Politik und die Öffentlichkeit so umfassend wie möglich zu informieren und klar Position für die Demokratie und gegen ihre Alternative zu beziehen. Heute, im Jahre 2024, schwadronieren Hitlers geistige Nachlassverwalter im Reichstag wieder über Deportationen von Andersdenkenden und offenbaren die gleiche Verachtung für die Wissenschaften wie ihre braunen Vorbilder. Die Ablehnung der Erkenntnisse zum Klimawandel, der geplante Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit am Beispiel Genderforschung und die Faktenleugnung bei der Covid19-Krise seien hier nur als Beispiele genannt. Dies stellt auch eine realistische Bedrohung für die Mineralogie und für die in Deutschland angesiedelten Wissenschaftler*innen dar und betrifft insofern den Kern unserer DMG. Würde der Vorstand zu diesem Thema schweigen, würde er seine ureigenen Aufgaben gemäß § 1 der Satzung vernachlässigen.

— Euer/Ihr Horst Marschall 

 

 

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