Liebe Mitglieder und Freunde der DMG,
meine zwei Jahre als Vorsitzender der DMG gehen zu Ende und ich werde den Stab zum Jahresende an Frank Schilling vom KIT übergeben, ihm aber noch ein weiteres Jahr als Stellvertreter zur Seite stehen.
In meinem letzten Wort des Vorsitzenden möchte ich einen kurzen Ausblick auf die nähere Zukunft der Gesellschaft wagen, auch wenn sich vieles erfahrungsgemäß langsamer entwickelt als zunächst erhofft. Die Nachwuchsgruppe der DMG hat sich im Laufe der letzten zwei Jahre ihren Namen YoungMins gegeben und die Mitgliederversammlung hat ihr den Status eines Arbeitskreises verliehen, was sie als festen Bestandteil der DMG etabliert und einen ständigen Sitz im Vorstand garantiert. Die YoungMins haben als Gruppe der studentischen Vertreter*innen naturgemäß eine höhere Fluktuation als andere Gruppen, aber sie konnten die entsprechenden Positionen bisher effektiv nachbesetzen. Hierzu auch mein Aufruf an die Studierenden unter den DMG-Mitgliedern, sich bei den YoungMins zu engagieren und die Möglichkeit wahrzunehmen, sich zu vernetzen und den Interessen der jüngeren Mitglieder in der DMG effizient Gehör zu verschaffen.
Das Projekt Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der DMG, das bei der Mitgliederversammlung in Dublin genauer vorgestellt wurde, ist nun angelaufen, wird uns aber sicher noch die nächsten zwei Jahre beschäftigen. Hier bin ich vor allem gespannt, was über die Vergangenheit unserer Gesellschaft zutage gefördert werden wird und harre ganz unvoreingenommen der ergebnisoffenen Untersuchung durch die Historiker.
Die größte Baustelle ist nach wie vor die stärkere Zusammenführung der deutschen Geo-Gesellschaften, die in den letzten zwei Jahren vor allem detailliert diskutiert wurde. Es gab Workshops und Grundsatzabstimmungen in den Einzelgesellschaften und mindestens ein Dutzend Treffen der Task-Gruppe GeoDE, die aus Vertretern der im DVGeo zusammengefassten Gesellschaften besteht und sich ursprünglich zusammengetan hatte, um ein konkretes Modell für den neuen Verbund zu entwickeln. Viel Konkretes hat die Gruppe nicht vorzuweisen, aber das muss nicht so bleiben. Generell gibt es Einigkeit über die Ziele und über eine Reihe grundsätzlicher Punkte, und mit den neugewählten Vertretern von DMG und DGGV wird es hoffentlich in naher Zukunft gelingen, hier vorzeigbare Fortschritte zu erzielen. Das grundsätzliche Ziel ist eine große Geo-Gesellschaft mit vielen tausend Mitgliedern, die auch in der Öffentlichkeit als Sprachorgan der Geowissenschaften in Deutschland wahrgenommen wird. Der 2015 gegründete DVGeo übernimmt im Prinzip schon Teile dieser Aufgaben und ist als Lobbyverband registriert mit Eintragung im Lobbyregister des Deutschen Bundestages. Er wirkt somit auch als politisches Sprachrohr und organisiert regelmäßig Parlamentarische Abende in Berlin für die Abgeordneten des Bundestages, die hierbei über gesellschaftlich relevante Geothemen informiert werden.
Eine große Herausforderung beim zukünftigen politischen Engagement des DVGeo oder einer neuen großen Geo-Gesellschaft wird es sein, die entsprechenden Statements ausgiebig vorzubereiten und den Mitgliedern Gelegenheit zu geben, sich vor der Veröffentlichung einzubringen und mit ihren vielfältigen Expertisen, die in den Geowissenschaften abgebildet sind, zu beteiligen. Diese Kommunikation zwischen Vorstand, Beirat und Mitgliedern funktionierte in der DMG bisher immer sehr gut und ich halte diese Kombination aus Abbildung der demokratischen Meinungsvielfalt und einer sachlichen Diskussion auf wissenschaftlicher Grundlage für ein sehr hohes Gut und eine höchst positive Gesellschaftskultur, die die heutige DMG ausmacht. Dies sollte in dieser Form in den DVGeo mit eingebracht und auch in einer großen Geo-Gesellschaft von Beginn an als Kultur etabliert werden. Hierbei handelt es sich nicht um Allgemeinplätze eines scheidenden Vorsitzenden, sondern um Gedanken, die der Erfahrung zum Beispiel mit der Fracking-Debatte im Herbst 2022 entspringen. Hier hatte das von unserer Schwestergesellschaft ohne Rücksprache mit ihren Mitgliedern veröffentlichte Pamphlet sehr viel Unmut erzeugt und das Vertrauen vieler DMG-Mitglieder erschüttert, so dass sie mir gegenüber Zweifel über die angedachten (Teil)Fusionen äußerten.
Die Debatte über den Fracking-Brief hat, wie ich denke, gezeigt, dass die Geowissenschaften sich im Spannungsfeld befinden zwischen der fossilen Ressourcen-Industrie einerseits, die traditionell ein lukratives Berufsfeld für ihre Absolvent*innen bietet, und auf der anderen Seite wiederbelebten und neuen Betätigungsgebieten, die sich aus der nun endlich in Gang kommenden Energie und Wärmewende ergeben.
Auch die Tatsache, dass sich die Geowissenschaften immer stärker ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden, die sich aus den von ihr selbst gewonnenen Erkenntnissen ergibt, trägt zu dieser Verschiebung bei. Im Statement der DMG hatten wir damals beispielhaft einige Betätigungsfelder genannt, wie den beschleunigten Ausbau regenerativer Energieformen, die Erforschung von Metallrohstoff Vorkommen (inklusive der umweltschonenden Nutzung einheimischer Ressourcen), die Entwicklung neuer Materialien, die Nutzung der Bohrtechnologie für geothermische Energiegewinnung und CO2-Verpressung und die Entwicklung negativer CO2-Emissions-Verfahren.
In Zukunft wird es innerhalb der Geowissenschaften genau wie in der allgemeinen Öffentlichkeit eine intensive Diskussion geben müssen, welche Rolle(n) man als Wissenschaftsverband einnehmen möchte. Es steht zu befürchten, dass hierbei die Befürworter einer Fortsetzung der fossilen Energie und Wärmeversorgung versuchen werden, entscheidende Impulse zu setzen, mit dem Versuch diese schädlichen Technologien mit etwas Greenwashing ins jeweils nächste Jahrzehnt zu retten. Dagegen stehen moderne Geowissenschaften, die Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen und den Umbau zu einer dekarbonisierten Lebens und Wirtschaftsweise mitgestalten. Hierbei kann sich jede*r von Euch und Ihnen einbringen. Bleiben Sie aktiv und gestalten Sie die Zukunft von DMG und DVGeo mit!
— Euer/Ihr Horst Marschall