Das "Geowissenschaftliche NMR-Spektrometer" in Bochum, ein Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), stellt sich vor

Anfang der 90er Jahr entstand die Idee, die Methode der Festkörper NMR-Spektroskopie auch in den deutschen Geowissenschaften stärker zu verankern. Diese Methode, die bereits in der Anorganischen und Physikalischen Chemie, sowie der Experimentalphysik Deutschlands eine feste Stellung eingenommen hatte, fristete bis dahin in den deutschen Geowissenschaften eher ein Schattendasein, obwohl sie in der internationalen geowissenschaftlichen Forschung bereits ihren festen Platz einnahm. Mit Hilfe der Festkörper NMR-Spektroskopie lassen sich eine Vielzahl von Fragestellungen bezüglich der Lokalstruktur klären und sie stellt aus diesem Grunde eine hervorragende Unterstützung für andere strukturaufklärende Methoden dar. So-mit eröffnen sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in der kristallographischen, petrogra-phischen, angewandten und technisch-mineralogischen, sowie geowissenschaftlichen For-schung. Das Gemeinschaftsprojekt "Geowissenschaftliches NMR" wurde 1993 von den Mine-ralogischen Instituten der Universitäten Bochum, Hannover, Kiel, Mainz und Münster bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beantragt und von der DFG genehmigt.

Wissenschaftliche Veranstaltungen am und rund um das "Geowissenschaftliche NMR"
Die Anfangsphase des Projektes gestaltete sich dadurch schwierig, daß nur wenige Projekt-teilnehmer Kenntnisse auf dem Gebiet der Festkörper-NMR besaßen (H. Gies (Bochum), I. Dierdorf (Bochum, jetzt I. Wolf) und M. Fechtelkord (Hannover)) und das Arbeitsgebiet für viele absolutes "Neuland" bedeutete. Durch halbjährlich stattfindende Nutzer- und Diskus-sionstagungen und Workshops konnte fehlendes Fachwissen erarbeitet, vertieft und die an-fänglichen Schwierigkeiten schnell überwunden werden. Diese Veranstaltungen sind mittler-weile eine feste Einrichtung. Pro Jahr finden jeweils zwei Workshops statt (März und Sep-tember), die in erster Linie auf interessierte Studenten, Diplomanden und Doktoranden zuge-schnitten sind und einen methodisch ausbildenden Charakter besitzen. Die Workshops richten sich sowohl an Anfänger, als auch Fortgeschrittene auf diesem Arbeitsgebiet. Sie sind zweitä-gig und beinhalten eine Theorieteil, der anschließend am Gerät in die Praxis umgesetzt wer-den soll. Ziel der Workshops ist eine solide, breite Ausbildung und Darstellung von Anwen-dungsmöglichkeiten als Anschub für neue Ideen. Die Diskussionstreffen dienen dazu, bishe-rige Ergebnisse darzulegen, zu diskutieren und Anregungen für neue Experimente zu geben, aber auch an NMR-Spektroskopie interessierten, aber nicht aktiv experimentell tätigen Wis-senschaftlern, Möglichkeiten der NMR-Spektroskopie aufzuzeigen und sie für diese Methode zu gewinnen. Die eintägigen Treffen beginnen morgens mit einem Hauptvortrag, zu dem ein fachkundiger Kollege eingeladen ist. Nachmittags werden in Kurzvorträgen bisherige Ergebnisse der am Geowissenschaftlichen NMR arbeitenden Gruppen präsentiert, aber auch an Messungen interessierten Wissenschaftlern die Gelegenheit gegeben, Fragestellungen zu unter-breiten. Vor allem der starke Diskussionscharakter dieser Veranstaltung trägt dazu bei, ge-meinsam Probleme zu lösen und Ideen für neue Experimente zu erhalten.
Im März 1997 wurde auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kristallographie (DGK) der Arbeitskreis "NMR-Spektroskopie" mit dem Ziel gegründet, als Ansprechpartner für NMR-spektroskopische Fragestellungen zur Verfügung zu stehen, diese Methode transpa-renter zu machen, ihre Stärken als sinnvolle Ergänzung zu anderen strukturaufklärenden Me-thoden zu präsentieren und damit innerhalb der DGK einer breiten Masse von Wissenschaft-lern in der kristallographischen Forschung näher zu bringen. Dieses Ziel soll aber nicht allein auf die kristallographische Fachrichtung beschränkt bleiben, sondern langfristig auch auf alle anderen Fachdisziplinen in der geowissenschaftlichen Forschung ausgeweitet werden.

Geräteausstattung und Zubehör
Aus den bewilligten Mitteln der DFG wurde ein Festkörper-Spektrometer ASX400 der Firma BRUKER, Karlsruhe angeschafft, das am Institut für Mineralogie der Ruhr-Universität Bo-chum aufgebaut ist. Zur Ausstattung des Spektrometers mit einer Feldstärke von 9,397 Tesla gehören zwei X-Sender und ein Protonenkanal. Eine Temperiereinheit B-VT 2000 ermöglicht statische und MAS-Experimente zwischen 150 und 430 K. Die Steuerung der MAS-Proben-köpfe erfolgt über elektronisch gesteuerte MAS-Remote Control-Unit. Das Gerät ist mit ei-nem 7mm MAS Probenkopf für Sendefrequenzen zwischen 40-120 MHz, einem 4mm MAS Probenkopf für Sendefrequenzen zwischen 91-165 MHz, sowie einem 19F 4mm MAS Doppel-resonanzprobenkopf für {19F}®X CPMAS Experimente ausgerüstet. Daneben ist ein Doppel-rotations(DOR)-Probenkopf, ein statischer Breitbandprobenkopf und ein Tripelresonanzpro-benkopf vorhanden. Mit dem kürzlich angeschafften DOTY Scientific 7mm Hochtemperatur MAS Probenkopf lassen sich Experimente bis zu 920 K bei einem Temperaturgradienten von DT= ± 2 K durchführen.

Derzeitige Forschungsprojekte
Zur Zeit arbeiten Gruppen aus Bochum, Hamburg, Hannover, Kiel, Mainz und Münster am Gerät in Bochum. Die Forschungsschwerpunkte der verschiedenen Arbeitsgruppen stammen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Geowissenschaften. Die Bochumer Gruppe vom Institut für Mineralogie der Ruhr-Universität unter der Leitung von Prof. H. Gies beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Strukturaufklärung von beladenen und unbeladenen Zeolithen und nano- und mesoporösen Strukturen, sowie Schichtstrukturen. Neben der hauptsächlich eingesetzten NMR-Spektroskopie werden Röntgenpulvermethoden verwendet. Die Messun-gen am NMR-Spektrometer werden unter der Leitung von Dr. I. Wolf durchgeführt, der auch für die Wartung und Betreuung des Gerätes zuständig ist. Von Interesse ist die Aufklärung der Zeolith-Gerüststruktur mit Hilfe von 29Si und 27Al MAS NMR Messungen, der Überprüfung des Einbaus der organischen Template mit 1H und 13C MAS Experimenten, die Untersuchung von fluorbehandelten Zeolithoberflächen durch {19F} 29Si CPMAS, sowie die Untersuchung der Protonendynamik in den Schichtsilikaten durch zweidimensionale Experimente. Diese Arbeiten werden im Rahmen der Doktorarbeiten von I. Kinski und C. Osterhoff durchgeführt. Der Arbeitskreis von Prof. Trettin vom Institut für Geowissenschaften, Angewandte und Technische Mineralogie der Universität Mainz interessiert sich für den Einfluß des Zuschlag-stoffs auf die Hydratation von Tricalciumsilicat und Weißzementen. Die von E. Rigo und S. Ruffing durchgeführten NMR-Experimente zielen auf die Bestimmung der Silicatanionen-struktur der C-S-H-Phasen ab, für die sich vor allem 29Si MAS NMR bzw. {1H} 29Si- CP MAS NMR Untersuchungen eignen. Vom Institut für Mineralogie der Universität Münster führen die Doktoranden H.C. Freiheit und A. Fischer aus der Arbeitsgruppe von Prof. H. Kroll Experimente am "Geowissenschaftlichen NMR" durch. Sie untersuchen zur Zeit die Verifika-tion eines Umwandlungsmodells von LiNaSO4. Die Substanz ist durch eine Phasenumwand-lung bei 788 K gekennzeichnet, wobei in der HT-Phase hohe Ionenleitfähigkeit auftritt. Die Aufklärung soll durch T1-Relaxationszeitmessungen für den 23Na-Kern und 7Li-Kerns erfol-gen. Außerdem werden Ge-Feldspäte, sowie Ordnungs-Unordnungsmodelle für den Cordierit mit 29Si MAS NMR untersucht. Aus dem hohen Norden ist das Geowissenschaftliche Institut der Universität Kiel durch die Arbeitsgruppe von Prof. W. Depmeier mit D. Többens und D. Bischke präsent. Forschungsgegenstand sind Aluminat-Sodalithe und Zinn-Wolframbronzen. Bei den Aluminatsodalithen interessiert vor allem die lokale Umgebung des Aluminiums, die sich mit Hilfe der 27Al SATRAS und DOR Spektroskopie aufklären läßt. In den Wolfram-bronzen wird die Lokalisierung und Koordination des Sn2+ in der Struktur durch 119Sn MAS NMR Untersuchungen und die Bestimmung der Chemischen Verschiebungsanisotropie unter-sucht. "NMR-spektroskopische Untersuchung des Phasenübergangs von Letovicit, (NH4)3H(SO4)2: Das Ordnungsparameterverhalten auf atomarer Längenskala", "Darstellung und Charakterisierung der Eigenschaften von templatfreiem Cancrinit: Eine nanostrukturierte Wirtsmatrix mit eindimensionalem Kanalsystem", sowie "Hochauflösende Multikern-Fest-körper-NMR-Unterschungen an Carbonat- und Nitrat-Cancriniten" sind die Themen, mit de-nen sich Prof. Buhls Gruppe vom Institut für Mineralogie der Universität Hannover am Geo-wissenschaftlichen NMR beschäftigt. Die Doktoranden B. Posnatzki und F. Stief, sowie die Diplomandin A. Engelhardt bearbeiten unter der Anleitung von Dr. M. Fechtelkord die o.g. Themen. Daneben bestehen auch Kooperationen mit anderen Instituten. Die Untersuchung der strukturellen Einbindung und Fraktionierung von Fluor in Schichtsilikaten und alumosilikati-scher Schmelze erfolgt in Kooperation mit Prof. F. Holtz und Dr. H. Behrens vom selben In-stitut, sowie mit Prof. Dr. C.A. Fyfe und Prof. Dr. L.A. Groat von der University of British Columbia, Vancouver, Kanada, und wird durch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung mit einem Feodor-Lynen-Forschungssstipendium gefördert. Zusammen mit Prof. U. Bismayer vom Mineralogisch-Petrographischen Institut der Universität Hamburg wird die Untersuchung des Phasenüberganges des Letovicits, sowie die der Substitution und lokalen Symmetrie von Kationen in Bleiphosphat durchgeführt.
Sehr viele der genannten Projekte werden aus Mitteln der DFG gefördert und vor allem durch die Bereitstellung von Reisemitteln die Durchführung der Messungen ermöglicht, weshalb ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft an dieser Stelle Dank aussprechen möchte. Die Auf-zählung dieser vielen am "Geowisssenschaftlichen NMR" durchgeführten Forschungsprojekte schildert, in wie unterschiedlichen Arbeitsgebieten NMR-Spektroskopie einsetzbar ist und soll auch dazu führen, beim Leser Interesse zu wecken, vielleicht selbst einmal NMR-Spektrosko-pie anzuwenden. Nähere Infos zum Gerät und den Projekten gibt es im Internet unter: http://www.mineralogie.uni-hannover.de/nmr und zum Arbeitskreis NMR-Spektroskopie un-ter http://www.mineralogie.uni-hannover.de/nmr/ak12 oder auf Anfrage bei:
Dr. M. Fechtelkord, Institut für Mineralogie der Universität Hannover, Welfengarten 1, 30167 Hannover.

Michael Fechtelkord, Hannover