4. Symposium der KTM, 15./16. Juli 1999, Freiberg

Begrüßungsrede des Gastgebers, Univ.-Prof. Dr. Robert B. Heimann

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren.

Ich heisse Sie im Institut für Mineralogie der Technischen Universität Bergakademie Freiberg sehr herzlich willkommen und hoffe, dass Sie sich bei uns wohlfühlen und zwei erlebnisreiche Tage in Freiberg verbringen mögen.

Unser Institutsgebäude entstand in den Jahren von 1914 bis 1916 und stellt eines der ersten auf der Basis von armiertem Beton erbauten Gebäude Deutschlands dar. Hierbei ging es den damaligen Baumeistern wie den alten Römern beim Bau ihrer Aquädukte. Wie diese aus Sicherheitsgründen die Stützpfeiler dreimal so dick gestalteten wie statisch nötig, mischten jene in Unkenntnis der Zugfestigkeitseigenschaften des neuen Verbund-werkstoffes soviel Zement in den Beton, dass über die Jahre ein Baumaterial entstand, das noch heute ziemlich erfolgreich dem Angriff von Bohrhämmern und Meißeln trotzt. Im zweiten Stockwerk finden Sie die weltberühmte Freiberger Mineraliensammlung, die auf den Vater der wissenschaftlichen Mineralogie, Abraham Gottlob Werner, zurückgeht, dessen 250. Geburtstag wir im kommenden September feiern.

Die angewandte Mineralogie stellt eine tragfähige Brücke dar, einen Aquädukt sozu-sagen, zwischen den Geowissenschaften im weiteren Sinne und der anwendungs-orientierten Werkstoffwissenchaft und Werkstofftechnologie. Sie ist damit eine eigen-ständige, wenn auch spezialisierte Disziplin innerhalb der mineralogischen Wissen-schaften, die ihre Existenzberechtigung bezieht aus ihrer Rolle als fachübergreifender Mittler zwischen den klassischen Geowissenschaften und den stoffbezogenen Ingenieur-wissenschaften bis hin zu den medizinischen und Kulturwissenschaften.

Das bedeutet jedoch, dass Überlappungen im Ausbildungsangebot und in Forschungs-themen unvermeidbar, jedoch nicht unerwünscht sind, ergeben sich dadurch doch einer-seits synergetische Effekte, die sich außerordentlich fruchtbar auswirken auf die Anwen-dung materialwissenschaftlicher Methoden auf mineralogische und geologische Proble-me. Andererseits wird durch die angewandte Mineralogie den Ingenieuwissenschaften auch das Kompendium geowissenschaftlicher Erkenntnisse zur Verfügung gestellt.

Das qualifiziert den angewandten Mineralogen als eine Art "Übersetzer", der aufgrund seiner dualen Ausbildung in den ‘harten’ und ‘nicht so harten’ Wissenschaften die oft beklagte selbstisolierende Terminologie der Grenzzusammensetzungen des ‘Mischkis-talls’ Mineralogie zu überwinden hilft. Der technische Mineraloge wird damit befähigt, vergleichsweise komplexe Sachverhalte, die Expertenwissen in relativ weit auseinander-iegenden Wissensgebieten voraussetzen, kritisch abzuwägen, zu verarbeiten und in Eigenverantwortung in Industrie oder academia zu lösen.

Die technische Mineralogie ist nicht nur eine methodenorientierte Spielart der Minera-logie mit anderer Zielsetzung, d.h. hinweg von der ‘Materialwissenschaft der festen Erde’, sondern vom Arbeitsgebiet her klar definiert als eigenständige Disziplin, die sich mit mineralogischen Eigenschaften und technologischen Grundlagen von technischen Produkten, Prozessen und auch Reststoffen an allen Schnittstellen des Materialkreislaufs beschäftigt. Damit widmet sie sich insbesondere der Entwicklung neuer und der Verbesserung bekannter Werkstoffe, Baustoffe, Keramiken und Gläsern und ihrer umweltgerechten Synthese, Anwendung und Entsorgung. Unser Vortragsprogramm stellt dieses Spektrum überzeugend dar.

Wie andere Wissenschaften auch geht die technische Mineralogie heute durch Entwicklungs- und Umorganisationszyklen, die ihren Ursprung haben in zunehmender Komplexität. Diese Komplexität wird hervorgerufen durch die enorme Anhäufung von neuen Daten, neuen theoretischen Erkenntnissen, und neuen Assoziationen oder Disassoziationen von Wissenschafts-disziplinen.

Der Fortschritt unserer Wissenschaft findet statt in einem Umfeld, das durch eine rela-tive und absolute Abnahme der Personal- und Forschungsmittel gekennzeichnet ist. Immer mehr Forscher müssen sich in einen immer kleiner werdenden Kuchen teilen. Das mag man in ‘think tanks’ resignierend beklagen und nach dem Gesetzgeber rufen und ihn auffordern, mehr Geld für Forschung und Entwicklung zur Verfügung zu stellen. Ein anderer Weg jedoch ist die Organisation von sinnvollen Allianzen und Kooperations-strukturen mit den Fachvertretern benachbarter Disziplinen. Hier sehe ich ein grosses Potential, das bei weitem noch nicht voll ausgeschöpft ist. Technische Mineralogen mit ihrem breit gefächerten Ausbildungsprofil scheinen mir ideal positioniert zu sein, solche synergetischen Strukturen aufzubauen und zu unterhalten.

Ich wünsche Ihnen ein erfolgreiches Symposium und gute Diskussionen und Gespräche.

 

4. KTM-Symposium in Freiberg

Vom 15. bis 16. Juli 1999 fand am Lehrstuhl für Technische Mineralogie der Technischen Universität Bergakademie Freiberg das 4. Symposium der Kommission für Technische Mineralogie (KTM) der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft (DMG) statt. Die Zahl der Teilnehmer aus Industrie und Akademia betrug etwa 70.

Das Symposium begann am Morgen des 15. Juli mit zwei Workshops ("Quantitative Phasenanalyse mit der Rietveld-Methode", geleitet von Dr. R. Kleeberg und "Kathodolumineszenz", geleitet von Dr. J. Götze), die von jeweils 17 Teilnehmern besucht wurden.

Nach der Mittagspause wurde das Symposium eröffnet. Der Gastgeber, Prof. Heimann begrüßte die Teilnehmer der Tagung und wies auf die wichtige Rolle hin, die die technische Mineralogie spielt als Mittler zwischen den klassischen Geowissenschaften und der Materialwissenschaft. Darauf folgte die Ansprache von Prof. Oettel, Prorektor Wissenschaft der TU Bergakademie Freiberg, in der er die Struktur von Lehre und Forschung in Freiberg erläuterte und insbesondere auf neue. modere Studiengänge und geplante Kompetenzzentren einging. Daran anschließend begrüßte der Leiter der KTM, Dr. Koensler, die Gäste.

Während des ersten. Teils des Symposiums wurden 11 Vorträge zu den Themenkomplexen "Hochleistungskeramik", "Baustoffforschung" und "Analytik" präsentiert. Die Themen spannten einen weiten Bogen, der einmal mehr die Vielfalt der Arbeitsbereiche technischer Mineralogen demonstrierte. Sie reichten von Biokeramiken, anorganischen Membranen, keramischen Materialien für Festoxidbrennstoffzellen und nichtoxidischen siliziumhaltigen Keramiken über Probleme der Baustoffchemie und -mineralogie zur Isotopenarchäologie, Radiolumineszenzdosimetrie und thermophysi-kalischen Untersuchungen der Polymorphie von Calciumcarbonat. Der Tag klang aus mit einem deftigen Bergbier in der historischen Betstube des Huthauses der Fundgrube "Alte Elisabeth".

Der zweite Teil des Symposiums am Morgen des 16. Juli widmete sich der Umweltmineralogie, die in 8 Beiträgen vorgestellt wurde. Die Themen reichten von Braunkohlenfilteraschen, Flugaschen und Stäuben der Druckkohlenstaubfeuerung über den Einbau von Schwermetallen beim Ziegelbrand zur Entwicklung diffusionsarmer Barrieresysteme für Deponieabdichtungen, der Kinetik der Bildung von Eisenhydroxiden und Tonveredlung durch Kornklassierung. Dazu kam die Präsentation von 10 Postern.

Am Nachmittag fanden zum Ausklang zwei Industrieexkursionen statt. Im Forschungsinstitut für NE-Metalle (FNE) GmbH wurde die Herstellung mittels Niederdruckplasmaspritzens von Wismut-Sputtertargets zur Beschichtung von Glas-scheiben gezeigt, während bei der Wacker Siltronic AG die Züchtung grosser Silizium-einkristalle nach dem Czochralski- und "Floating zone"-Verfahren vorgestellt wurde.

Der gute Besuch und die teilweise lebhaften Diskussionen zeigten erneut, dass die KTM-Symposien von ihrer Zielgruppe angenommen werden und sich als fester Bestandteil des Tagungsangebots der DMG etabliert haben.

Robert B. Heimann, Freiberg