Rätsel um das Bermudadreieck endlich gelöst?

"Geoperspektiven - Tag der Geowissenschaften" 1999

Am 30. September 1999 besuchten zahlreiche Interessierte - darunter etwa 1000 Schüler und Schülerinnen - den "Tag der Geowissenschaften". Diese Veranstaltung im Wissenschaftszentrum und Deutschen Museum Bonn wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem GeoForschungsZentrum Potsdam, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (Hannover) und dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (Bremerhaven) unter UNESCO-Schirmherrschaft präsentiert. Das Programm bestand aus einer Serie von 45-minütigen Vorträgen mit einer einstündigen Unterbrechung über Mittag, während der für die Journalisten eine Pressekonferenz angeboten wurde, und die restlichen Besucher Gelegenheit zum Essen hatten.

Zu Übersichtsvorträgen zählen die folgenden vier der insgesamt sechs Beiträge:

- Prof. Dr. Jan Veizer, Ruhr-Universität Bochum: Fünf Milliarden Jahre Evolution - Welche Botschaft für uns?

- Prof. Dr. Jörn Thiede, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung: Paläoklima - Das Gedächtnis der Umwelt.

- Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Wellmer, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: Vom Wasser über Eisenerz zum Germanium - Rohstoffe: Bausteine unserer Industriegesellschaft.

- Prof. Dr.-Ing. Christoph Reigber, GeoForschungsZentrum: Geoforschung mit Satelliten.

Zwei Vorträge behandelten spezielle und besonders aktuelle Themen. Die August- und September-Erdbeben in der Türkei, in Griechenland und in Taiwan waren trauriger Anlaß für die Aktualität des letzten Vortrags.

- Prof. Dr. Erwin Suess, GEOMAR Forschungszentrum für Marine Geowissen schaften der Universität Kiel: Methanhydrate - Brennbares Eis als Energiereserve und Klimafaktor.

- Prof. Dr. Hans-Peter Harjes, Institut für Geophysik der Ruhr-Universität Bochum: Wenn die Erde bebt - Ursachen und Wirkungen.

Ich möchte im folgenden einen persönlichen Eindruck dieses Tages wiedergeben:

Das Vortragsprogramm vermittelte einen Ausschnitt des Spektrums der Geowissenschaften, wobei Themen der Marinen Geologie mit zwei Beiträgen thematisch einen Schwerpunkt darstellten. Meiner Meinung nach hätte vorweg eine Übersicht zu den einzelnen Beiträgen, in der diese in einen geowissenschaftlichen Zusammenhang gestellt werden, den populärwissenschaftlichen Erfolg erhöhen können. Auf diesem Gebiet besteht unter uns Wissenschaftlern noch ein Nachholbedarf. Ich hoffe, der anschließende Artikel von Herrn Dipl.-Geol. Holger Wuestefeld zu dem Thema wird uns die Sicht eines Wissenschaftsjournalisten näher bringen.

Laut Begrüßungsansprache der Bonner Bürgermeisterin, Dorothee Paß-Weingartz, sollte die Veranstaltung besonders Jugendliche ansprechen. Zahlreiche Schulklassen hörten sich meist einzelne Vorträge an und verbanden dies mit dem Besuch einer beglei–tenden Erlebnisausstellung des Deutschen Museums Bonn. Als Besucherin, die in den hinteren Reihen des Vortragssaals saß und überwiegend von Schulklassen umgeben war, bekam ich die Reaktion der Jugendlichen auf die einzelnen Vorträge deutlich mit. Herrn Wellmers Vortrag über Rohstoffe und Herrn Harjes Beitrag über Erdbeben schien besonderes Interesse entgegengebracht zu werden. Die Zuhörer horchten auch auf, als Herr Suess über die Gefahren des Methanhydrats im Meeresboden berichtete: Wenn Methanhydrate im Meeresboden durch veränderte Druck- und Temperaturbedingungen instabil werden und sich zu Gas und Wasser zersetzen, können Methanblasen aufsteigen. Möglicherweise sind diese für Rutschmassen verantwortlich, die wiederum Flutwellen mit katastrophalen Folgen auslösen oder sogar für das rätselhafte Verschwinden von Schiffen im Bermuda Dreieck verantwortlich sind.

Die Erlebnisausstellung wurde in der Presse weitaus stärker hervorgehoben als die Vorträge und traf besonders bei den Jugendlichen auf mehr Begeisterung als die – leider zum Teil mit Fachausdrücken überlasteten – Vorträge. Höhepunkt der Erlebnisausstellung war eine Live-Schaltung zu der Neumayer-Station des Alfred-Wegener-Instituts in der Antarktis, während der die Besucher mit Forschern telefonieren und sie mit Fragen bombardieren konnten.

Unbedingt erwähnen möchte ich außerdem, daß der Tag der Geowissenschaften für unseren DFG-Referenten Herrn Maronde, der dieses Jahr von der DMG mit der Abraham-Gottlob-Werner Medaille in Gold für seine hervorragenden Dienste für die Mineralogie ausgezeichnet worden war, der letzte Arbeitstag war, und er sich nun in seinem wohl verdienten Ruhestand befindet.

Renate Schumacher (Pressesprecherin der DMG)

 

 

"Für die tägliche Zahnpasta müssen wir 4.000 Meter tief bohren"

Geowissenschaftler suchen auf dem "Tag der Geowissenschaften" den Dialog mit der Öffentlichkeit

 

Das Podium ist in Halbdunkel getaucht, während sich zwei Wissenschaftler an einem runden eimergroßen Behälter zu schaffen machen. Während einer von ihnen den Deckel vorsichtig öffnet, greift der zweite tief in den Kühlbehälter hinein. Kurz darauf hat Erwin Suess mit einer Zange einen weißgrauen unregelmäßigen Körper aus der Tiefe gefischt, den er auf dem Rednerpult drapiert. Noch während Suess die Entstehung von Methanhydraten erläutert, wabert ein dichter Nebel vom Rednerpult über die ersten Sitzreihen. Es sind Eindrücke wie diese, die Schüler und andere Interessierte am "Tag der Geowissenschaften" offenkundig beeindrucken.

Doch hinter den Kulissen herrscht Krisenstimmung. Der Wind bläst den deutschen Geowissenschaftlern seit einiger Zeit kräftig ins Gesicht. Flossen in früheren Jahren die Geldbeträge für solch prestigeträchtige Projekte wie etwa das "Kontinenatle Tiefbohrprogramm" (KTB) noch ohne großes Zögern, scheint die einstige Aufbruchstimmung heute einer nüchternen Kosten-Nutzen-Kalkulation gewichen zu sein. Spätestens seit dem Abschluss des KTB-Programms kam es zu einer Stagnation in der Forschungsförderung der Geowissenschaften.

Nicht genug damit: In Hessen kündigte Wissenschaftsministerin Ruth Wagner an, dass von den ehemals vier Universitätsinstituten mit geowissenschaftlichem Studienangebot (Marburg, Gießen, Frankfurt, Darmstadt) nur eines langfristig bestehen bleiben wird. An der Universität Kiel wurden das Geologisch-Paläontologische, das Mineralogisch-Petrographische Institut sowie das Institut für Geophysik zusammengelegt - ähnliche Fusionen stehen an anderen Hochschulen bevor, wie zum Beispiel an der Universität Bochum bis zum Jahr 2002. Analog dazu wurden in den zurückliegenden Jahren Stellen bei Behörden und in der Wirtschaft rigoros eingespart. Und überdies entgingen die "Geowissenschaftlichen Gemeinschaftsaufgaben" nur knapp einer Schließung. Doch nun soll eine im Juli 1999 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der DFG vorgestellte Forschungsinitiative mit dem Titel "Geotechnologien" den Geowissenschaften ab dem Jahr 2000 einen neuen Schub vermitteln.

Vor diesem Hintergrund fand am 30. September 1999 der "Tag der Geowissenschaften" im Bonner Wissenschaftszentrum und im Deutschen Museum Bonn statt: Eine zweigeschossige, unregelmäßig geschnittene Halle, die an den Maschinenraum eines Schiffes erinnert. In Abständen von nur wenigen Metern wandeln die Besucher entlang an Bildschirmen, Hinweistafeln und Ausstellungsstücken, wie Diamantbohrern, Geophonen und einem angeschnittenen "Black Smoker". Forscher, eingebettet in Menschentrauben, erläutern an den Exponaten, welche Rolle die einzelnen Gegenstände bei der Erforschung der Erde spielen.

Diese Szenerie bildete die Kulisse des "Tages der Geowissenschaften", den die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ), das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) initiiert hatten. "Wir wollen die Geowissenschaften begreifbar machen und damit den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit fördern", erläutert Ludwig Stroink, Koordinator der Veranstaltung. "Insbesondere sollen sich junge Menschen, die Wissenschaftler von morgen, von dieser Veranstaltung angesprochen fühlen, nicht zuletzt um mit den Rednern über ihre Forschungsthemen zu diskutieren." Und Hans-Peter Harjes von der Universität Bochum ergänzt: "Nachwuchswerbung ist eine der zentralen Intentionen dieses ¸Tages der Geowissenschaften." Informationen, wo man Geowissenschaften studieren kann und welche Schwerpunkte an den verschiedenen Instituten angeboten werden, suchte der potenzielle Nachwuchs allerdings vergebens.

Sechs Festredner - zumeist Wissenschaftler aus großen geowissenschaftlichen Einrichtungen - waren eingeladen, um über die Arbeiten in ihren Forschungsinstituten zu referieren. Rund eintausend Schüler und Interessierte nutzten an diesem Tag die Möglichkeit, den Vorträgen der Forscher zu lauschen und in der begleitenden Ausstellung etwas von der Atmosphäre geowissenschaftlicher Forschung in Deutschland zu schnuppern.

Etwas abseits der Ausstellung betrachtet ein Schüler eines Bonner Gymnasiums fasziniert ein tischtennisplattengroßes Weltrelief vor dem Vortragssaal. Eine zufällig daneben stehende Geologin erläutert ihm, dass die dünne Erdkruste keineswegs durchgängig sei, sondern aus einzelnen Platten bestehe, die sich gegeneinander bewegen würden. Dann beginnt sie, das Abtauchen der Pazifischen unter die Südamerikanische Platte zu beschreiben und erklärt, wie dabei ein tiefer Graben entlang der südamerikanischen Westküste entstanden sei. Begeistert ist der Schüler vom Hawaiirücken: "Ich habe gar nicht gewußt, daß da lauter einzelne Riesenberge wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind! Und erst recht nicht, dass das alles Vulkane sind."

Die Vorträge selbst findet er zwar von den angebotenen Themen interessant, aber die Wissenschaftler und deren Dias oder Folien würde man ja auf den kleinen Fernsehmonitoren ohnehin kaum erkennen können. Tatsächlich fällt beim Blick in den Hörsaal eine stringente Trennung von Wissenschaftlern mit Blickkontakt zum Podium und dem übrigen interessierten Publikum auf den hinteren Rängen auf. "Ich würde ja wirklich gern mehr über Erdbeben verstehen", klagt ein Zuhörer, "aber die Redner können einfach nicht deutsch sprechen!" An wen richten sich die vortragenden Wissenschaftler, wenn sie von "strike-slip-faults" sprechen ? Soll in diesem Forum tatsächlich der Dialog mit der Öffentlichkeit gefördert werden, wie Ludwig Stroink versprach? So wundert es wenig, wenn Diskussionen nur selten zwischen dem fachfremden Publikum und den Wissenschaftlern zustande kommen, meist sind die Experten unter sich.

Ludwig Stroink formuliert den hochgesteckten Anspruch des "Tages der Geowissenschaften", denn neben jungen Menschen "wollen wir in gleichem Maß Lehrer, Wissenschaftler der benachbarten Natur- und Ingenieurwissenschaften, interessierte Laien, Entscheidungsträger aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft und last but not least Geowissenschaftler der verschiedenen Fach- und Anwendungsrichtungen erreichen." Ein Anspruch, der scheitern muss. Die Besinnung auf allenfalls zwei Zielgruppen hätte es möglicherweise auch den Rednern an diesem Tag leichter gemacht, sich sprachlich auf das Publikum einzustellen. Immerhin: Ein Anfang im wünschenswerten Dialog der Geowissenschaftler mit der Öffentlichkeit ist gemacht und es gibt noch Vieles aus der Arbeit der Forscher zu berichten.

Holger Wuestefeld, Bonn
Wissenschaftsjournalist, Schwerpunkt: Geowissenschaften