Erster Intensivkurs - Grundlagen der Einkristallstrukturanalyse, 21. - 24. August, Hardehausen

Der Arbeitskreis ChemKrist ist in der Fachgruppe Analytische Chemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) angesiedelt und hat sich die Förderung der chemischen Kristallographie zur Aufgabe gemacht. Nach einer Serie von erfolgreichen Workshops, die sich jeweils mit aktuellen Themen der strukturchemischen Forschung beschäftigt haben, wurde im Jahre 2000 erstmals eine Sommerschule in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Kristallographie veranstaltet. Ziel war es, dem wissenschaftlichen Nachwuchs präparativ orientierter Arbeitskreise die Grundlagen der Einkristallstrukturanalyse zu vermitteln.

Auf die 35 Teilnehmer, die sich vom 21. bis 24. August im ehemaligen Zisterzienserkloster Hardehausen, südlich von Paderborn, versammelt hatten, wartete dann auch ein dichtgepacktes Programm. Vorlesungen von M. Bolte (Frankfurt/Main), U. Englert (Aachen), P. Jones (Braunschweig), C. W. Lehmann (Mülheim/Ruhr) und W. Massa (Marburg) wurden zu den Themen Diffraktometrie, Symmetrie und Strukturfaktor, Fouriertransformation, Patterson- und Direkte Methoden, Strukturverfeinerung sowie Dateninterpretation gehalten. Jeder Themenkomplex wurde durch Übungen in kleineren Gruppen ergänzt, die getreu dem Motto, Grundlagenwissen vermitteln zu wollen, alle mit Papier und Bleistift zu bearbeiten waren. Die fünf Vortragenden, verstärkt durch U. Flörke (Paderborn), fungierten dabei gleichzeitig als Tutoren.

Im einzelnen wurde folgende Inhalte vermittelt: Im Teil Diffraktometrie wurden die theoretischen Grundlagen der Reflexindizierung und der Orientierungsmatrix besprochen, bevor dann der Ablauf einer Messung von der Kristallauswahl und Montage über die Datensammlung bis hin zur Datenreduktion und Absorptionskorrektur abgehandelt wurde. Die anschließenden Vorlesungen zu Symmetrie und Strukturfaktoren gingen sowohl auf gruppentheoretische Grundlagen und die daraus folgenden Symmetrieeigenschaften der Raumgruppen ein, als auch auf fundamentale Beschreibungen von Streueigenschaften von Atomen und Atomverbänden inklusive anomaler Dispersion, Auslöschungsgesetzen und normalisierten Strukturfaktoren und deren statistische Verteilungen.

Der Strukturlösungsteil wurde eingeleitet von einer Abhandlung über Fouriertransformation unter besonderer Berücksichtigung von ein- und zweidimensionalen Fouriersynthesen, wobei die Einflüsse von Auflösung im reziproken Raum und starken E-Werten gezeigt werden konnten. Die Lösung des Phasenproblems wurde zunächst anhand der Patterson-Methode demonstriert. Auch hier stand wieder die Lösung der Probleme per Hand im Vordergrund, und die Teilnehmer lernten den Umgang mit Harkerlinien und –schnitten; genauso wie die Lokalisierung von mehr als einem Schweratom. Im Teil Direkte Methoden wurden zunächst die mathematischen Voraussetzungen diskutiert und einige der wichtigsten Formeln besprochen. Nachdem die Ursprungswahl und Startphasentripletts eingeführt worden waren, wurde dann über das Verfahren der symbolischen Addition die Gewinnung weiterer Reflexphasen demonstriert.

Im letzten Teil wurde dann die Strukturverfeinerung diskutiert. Neben den mathematischen Grundlagen nichtlinearer Least-Squares-Verfahren wurde an reich illustrierten Beispielen der Ablauf von Strukturverfeinerungen gezeigt. Dieser Teil wurde abgerundet durch eine Diskussion über Verzwilligung und die Behandlung von Constraints und Restraints. Auch die richtige Behandlung von Fehlordnung und Wasserstoffatomen wurde besprochen. Zum Abschluß gab es dann noch einen ernüchternden Einblick in (Fehl-)Interpretationen von Kristallstrukturanalysen, der potentielle Fallgruben aufzeigte, in denen sich auch erfahrene Kristallographen leicht wiederfinden können.

Die Workshopatmosphäre wurde durch die Wahl des Tagungsortes hervorragend unterstützt. Die abgelegenen Klostergemäuer waren dem konzentrierten Arbeiten sehr zuträglich, ohne daß allerdings der gesellige Teil, der aus Kegelabend, gemeinsamer Wanderung durch das landschaftlich reizvolle Eggegebirge und gemütlichem Beisammensitzen bestand, zu kurz gekommen wäre.

U. Flörke (Paderborn) gebührt besonderer Dank für die hervorragende Vor-Ort-Organisation und die Zusammenstellung des Tagungsbandes. Dank der Unterstützung durch die Sponsoren, konnten die Teilnahmegebühren erfreulich niedrig gehalten werden. Die abschließende Befragung der Teilnehmer ergab ein sehr positives Echo und hat die Vortragenden ermuntert, in zwei Jahren den dann 2. Intensivkurs zu Grundlagen der Einkristallstrukturanalyse zu veranstalten.

 

Christian W. Lehmann, Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim/Ruhr