10. Jahrestagung
der Deutschen Gesellschaft für Kristallographie (DGK)
4. - 7. März 2002, Kiel

„Durch gegenüber früheren Tagungen veränderte Randbedingungen sahen sich die Organisatoren gezwungen, (...) auf parallele Mikrosymposia zu verzichten. Stattdessen gibt es Serien von Kurzvorträgen, zusätzlich zu den Plenarvorträgen.“ (Zitat aus dem Programmheft; kursive Hervorhebung vom Autor dieses Essays.)

Zur Erläuterung: Das Programm der meisten früheren Tagungen bestand aus Plenarvorträgen zu Beginn jedes Morgens und Nachmittags, gefolgt von mehreren parallelen Mikrosymposien. Bei diesem Verfahren wird die ‚Qual der Wahl‘ für ernsthafte Tagungsteilnehmer oftmals sprichwörtlich. Dieser Qual also wurden sie diesmal nicht unterworfen.

Was für „veränderte Randbedingungen“? Eine offizielle Erklärung wurde nicht abgegeben. Hier tut etwas Erinnerung Not: Wenige Tage vor Ende der Einreichfrist für Vorträge (November 2001) konnte eine hektische E-Mail-Betriebsamkeit der Arbeitskreisleiter beobachtet werden, die ihre Schäfchen zu diesbezüglichen Aktivitäten antrieben. (Die Arbeitskreise - AKs, 17 an der Zahl - sind die Untergliederungen der DGK und bestimmen das Leben dieser Gesellschaft.) Eine gewisse Disziplinlosigkeit musste also konstatiert werden. Aber war sie neu? Tagungsmüdigkeit? Kiel ein unattraktiver Tagungsort? Die norddeutschen Organisatoren und das Wetter (zumindest Anfang März) als zu kühl gefürchtet? ... Wer weiß!

Hat die Kieler Tagung also Schaden gelitten? Nein! Jedenfalls nicht für die knapp 400 Teilnehmenden, kaum weniger als in Bayreuth ein Jahr zuvor und in Aachen zwei Jahre vorher (immer schlechtes Wetter dort!). Die Anzahl Poster-Beiträge lag bei 220, wie in Bayreuth auch. Die Zahl der Plenarvorträge lag gegenüber Bayreuth und Aachen mit +2 im Vorteil. Ach ja, die „Serien von Kurzvorträgen“: Diesmal konnten sich die Tagungsteilnehmer nach jedem Plenarvortrag und einer Pause wieder im selben großen Saal versammeln und alle dasselbe hören (insgesamt 30 20-minütige Vorträge). Ganz stimmt das dann aber doch nicht. Der Arbeitskreis 1, „Biologische Strukturen“, hatte nämlich so viel Beitragsanmeldungen, dass er von Montag bis Mittwoch mit 32 Vorträgen seine eigenen Mikrosymposien durchführte. Ein Jahr zuvor in Bayreuth gab es insgesamt 108 Vorträge.

„Die offizielle, feierliche Eröffnung findet gemeinsam mit der Eröffnung der Ausstellung ‚Ecken und Kanten‘ am Sonntag, 3.3.2002 11:30 Uhr, im Stadtmuseum Warleberger Hof statt.“ Diese Information, wie alle anderen Informationen zur Tagung wochenlang vorher auf der DGK-Homepage zu finden, haben die meisten Kongressteilnehmer offenbar übersehen - und damit eine sehr gelungene Veranstaltung verpasst (vgl. Beitrag S. 4/5).

Das wissenschaftliche Programm begann am Montag um 13 Uhr und endete am Donnerstag gegen 12.45 Uhr. Die Raum- und Lichtverhältnisse im Untergeschoss der Tagungsstätte (Auditorium Maximum der Universität) für die Posterpräsentationen waren leider nicht gut (zu eng und zu dunkel für die Mehrheit der Poster).

Ein Novum im Programmablauf war die Serie dreier Plenarvorträge und deren gemeinsame lebendig-kontroverse Diskussion zum Abschluss der Tagung. Thema: „Neue Methoden - Zukunft der Kristallographie?“

Am Ehrenabend der Gesellschaft trägt traditionell der letztjährige Träger des Max-von-Laue-Preises (DGK-Preis für Nachwuchswissenschaftler) vor. Diesmal also Helmut Ehrenberger (Darmstadt): „Beugungsexperimente mit Synchrotronstrahlung an polykristallinen Proben“. Diesjähriger Preisträger ist (Auch-DMG-Mitglied) Michael Fechtelkord (Hannover). Die Laudatio hielt Ulrich Bismayer (vgl. S 24 - 26). Für sein wissenschaftliches Lebenswerk wurde Friedrich Liebau (Kiel; ebenfall DMG-Mitglied) von der Gesellschaft mit der Carl-Hermann-Medaille ausgezeichnet (Laudatio Hermann Gies).

Auf dem Gesellschaftsabend in der Kieler Markthalle wurden erstmalig Posterpreise des Oldenbourg-Verlages (Zeitschrift für Kristallographie) verliehen. Alle Tagungsteilnehmer waren mit drei Klebepunkten stimmberechtigt, mit denen sie ihre Poster-Favoriten markieren konnten. Neben einem Jahresabonnement der Zeitschrift als erstem Preis waren der zweite und dritte Preis jeweils ein attraktives Lehrbuch.

„Veränderte Randbedingungen“ - oder bewusst eigenwillig-schöpferisches Nutzen altbekannter Verhaltensweisen der lieben Kollegen durch die Tagungsorganisatoren?

Jürgen Glinnemann, Frankfurt