Die Auswirkungen der 5. und 6. Novelle des Hochschulrahmengesetzes auf die Beschäftigung von wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen

Von Dr. Harald von Kalm, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Die am 23. Februar 2002 in Kraft getretene 5. Novelle des Hochschulrahmengesetzes, die im Rahmen der 6. HRG-Novelle vom 8. August 2002 um eine Übergangsregelegung ergänzt worden ist, hat das Recht der befristeten Arbeitsverhältnisse im Hochschulbereich auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Die Reform ist Gegenstand einer intensiven öffentlichen Diskussion geworden – einer Diskussion, die gelegentlich das gebotene Maß an Sachlichkeit hat vermissen lassen.

Die Reform des HRG hat an zwei “Schwachstellen” des bisherigen Befristungsrechts im Hochschulbereich angesetzt: Die alte Rechtslage war dadurch gekennzeichnet, dass die zulässigen Gründe für die Befristung von Arbeitsverhältnissen mit wissenschaftlichem Personal in § 57b HRG-alt abschließend normiert waren. Diese waren jedoch nicht trennscharf von einander abgrenzbar, so dass es selbst der Rechtsprechung des BAG im Laufe der Zeit nur mit Mühe gelungen ist, den einzelnen Gründen hinreichend präzise Konturen zu geben. Dennoch bestand für die Hochschulverwaltungen und die Verwaltungen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen das nicht geringe Risiko, allein aufgrund einer fehlerhaften Angabe eines (ansonsten vorliegenden) Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag den Prozess gegen einen sich auf eine unbefristete Beschäftigung einklagenden wissenschaftlichen Mitarbeiter zu verlieren.

Das zweite Problemfeld war die Möglichkeit, in rechtlich zulässiger Weise eine Vielzahl von befristeten Arbeitsverträgen miteinander zu verbinden (Kettenarbeitsverträge) und durch einen Wechsel der Hochschule oder Forschungseinrichtung Projektkarrieren bis hin ins Rentenalter zu begründen.
Das neue Recht setzt zugleich eine EU-Richtlinie um, nach der Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich der EU-Verträge grundsätzlich unbefristet sein müssen und nur ausnahmsweise befristet sein dürfen. Für die Befristung wiederum bedarf es in der Regel eines sachlichen Grundes, nur in Ausnahmefällen ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund zulässig.

Diesen Punkt setzt die Reform um: Im Bereich der Wissenschaft ist nunmehr während einer 12- bzw. – im Bereich der Medizin – 15-jährigen Qualifizierungsphase die Befristung von Arbeitsverhältnissen möglich, ohne dass insoweit ein sachlicher Grund im Arbeitsvertrag angegeben werden muss (§ 57 b Abs. 1 HRG). Im Anschluss an diese Qualifizierungsphase, die u.a. durch Erziehungszeiten oder Auslandsaufenthalte verlängert werden kann, ist die weitere Befristung von Arbeitsverhältnissen dort möglich, wo die Voraussetzungen des § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vorliegen. § 57b Abs. 2 Satz 3 HRG verweist auf die Regelungen dieses Gesetzes, das im Bereich des öffentlichen Dienstes über die Sonderregelung 2 y (SR 2y) zum Bundesangestelltentarif (BAT) Geltung erlangt.

Innerhalb der Qualifizierungsphase können an deutschen Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen Arbeitsverträge mit wiss. Personal bis zu 6 Jahren zum Zwecke der Promotion begründet werden (Phase A). Insoweit unbeachtlich ist die tatsächliche Bearbeitungszeit der Promotion: Die Promotionsphase kann durch beschäftigungslose Zeiten (insbesondere bei einer Finanzierung durch Stipendien) oder Beschäftigungszeiten im Ausland verlängert werden. Danach sieht das Gesetz einen Zeitraum von weiteren 6 Jahren vor, innerhalb derer – im Wege der Juniorprofessur oder anderer Qualifizierungsinstrumente – die Berufungsreife erreicht werden soll (Phase B). Dabei können während Phase A eingesparte Zeiten auf die Phase B übertragen werden. Zu beachten ist hier allerdings, dass bei der Berechnung der Übertragungszeit bei Phase A nicht nur Beschäftigungszeiten, sondern die tatsächliche Promotionszeit berücksichtigt wird – also auch Zeiten, in denen kein Beschäftigungsverhältnis oder ein Beschäftigungsverhältnis im Ausland bestanden hat.

Eine Verlängerung der Qualifizierungsphase durch einen Wechsel des Arbeitgebers ist nicht möglich: Aufeinander angerechnet werden alle Beschäftigungsverhältnisse mit einer deutschen Hochschule oder sonstigen überwiegend staatlich finanzierten Forschungseinrichtung (§ 57d HRG) – unabhängig von der bisherigen Rechtsgrundlage. Alleinige Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis eine wöchentliche Arbeitszeit von knapp 10 Wochenstunden vorsah.

Betroffen von der Reform, mit der zugleich den jeweiligen Landesgesetzgebern aufgegeben ist, die alten Personalkategorien des Assistenten, Oberassistenten, Oberingenieurs, Hochschuldozenten etc. abzuschaffen, sind alle wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen sowie wiss. Hilfskräfte. Unberücksichtigt bleiben die Stipendiaten, deren privatrechtliche Rechtsbeziehung zum Stipendiengeber durch das HRG nur insoweit aufgegriffen wird, als Stipendien – wie eben ausgeführt – lediglich als Anrechnungsfaktor bei der Übertragung eingesparter Promotionszeiten Berücksichtigung finden. Faktisch ausgesetzt ist die Reform durch die Änderung der Übergangsvorschrift des § 57f HRG im Rahmen der 6. HRG-Novelle für all diejenigen wiss. Mitarbeiter/innen, die am 23. Februar 2002 in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis zu einer deutschen Hochschule oder außeruniversitären Forschungseinrichtung gestanden haben. Hier ist eine Verlängerung dieses Beschäftigungsverhältnisses bis 28. Februar 2005 möglich, ohne dass insoweit ein spezieller sachlicher Grund vorliegen müsste.

Im Anschluss an die Qualifizierungsphase sehen SR 2 y in Verbindung mit § 14 TzBfG eine weitere Befristung von Arbeitsverhältnissen bis zu 2 Jahren ohne Sachgrund dort vor, wo ein Wechsel des Arbeitgebers (in der Regel ist dies bei wissenschaftlichem Personal an Hochschulen das Land) erfolgt ist und zu diesem bislang kein Beschäftigungsverhältnis bestanden hat, oder aber für die Befristung ein spezieller sachlicher Grund gegeben ist.
Hier kommt der Befristung im Zusammenhang mit eingeworbenen Drittmitteln eine besondere Bedeutung zu: drittmittelgeförderte Projekte stellen einen Befristunsgrund dar, wenn sie bestimmte vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Vorausetzungen erfüllen. Danach müssen die Projekte so in sich abgeschlossen sein, dass bei ihrem Beginn die Prognose gerechtfertigt ist, dass mit Ablauf des für die Bearbeitung vorgesehenen Zeitraums (Befristungszeitraum) kein weiterer Bedarf an der Mitarbeit des im Rahmen des Projekts beschäftigten Mitarbeiters besteht. Nach den tarifrechtlichen Vorgaben (Protokollnotiz Ziff. 3 zu SR 2y), die insoweit auch in den neuen Ländern als Orientierungsgröße Berücksichtigung finden dürften, dürfen die Projekte keine längere Laufzeit als 5 Jahre haben; im übrigen richtet sich die zulässige Befristungsdauer nach der Laufzeit der vom Drittmittelgeber bewilligten Mittel.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn es sich um ein längerfristig angelegtes Projekt handelt; eine Befristung scheidet auch dort aus, wo das Projekt nach seinem Abschluss mit einer nicht hinreichend trennscharf abgrenzbaren anderen Thematik fortgeführt wird – es muss sich vielmehr um ein sog. aliud handeln.
Neben der Befristung aufgrund von drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten spielt für den wissenschaftlichen Nachwuchs, der seine wissenschaftliche Qualifizierung abgeschlossen, aber noch keinen Ruf auf eine Lebenszeitprofessur erhalten hat, auch die Befristung zum Zweck der Bewerbung eine wichtige Rolle (§ 57b Abs. 2 Satz 3 HRG in Verbindung mit SR 2 y in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 6 TzBfG [in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe]). Voraussetzung sind neben dem Abschluss der Qualifizierung (etwa Juniorprofessur, Habilitation) hinreichend plausible Erfolgsaussichten der Bewerbung. Indizien hierfür können im Rahmen von Bewerbungsverfahren bereits erreichte Listenplätze oder vergleichbare Kriterien sein, die für einen Erfolg der Bewerbung sprechen. In diesem Fall können auch nach Abschluss der Qualifizierungsphase Beschäftigungsverhältnisse bis zu 2 Jahren eingegangen werden.

(Kurzfassung eines Vortrags auf der 80. Jahrestagung der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft 2002.)

Der Vorstand der DMG bedankt sich auch auf diesem Wege herzlich für den hoch informativen, lebendigen Vortrag von Herrn von Kalm, wie auch für seine Diskussionsbereitschaft zu demselben Thema auf der Mitgliederversammlung, beides anlässlich der DMG-Jahrestagung 2002 in Hamburg.

Hier gibts die Folien zum Vortrag als Powerpoint-Datei (4.006 KB)