Stellungnahme des Berufsverbandes Deutscher Geowissenschaftler (BDG) zu Studiengebühren
Nach der derzeitigen rechtlichen Lage ist ein gebührenfreies Erststudium bundesweit garantiert. Die Erhebung von Gebühren für Langzeitstudierende bzw. für ein Zweitstudium ist den Bundesländern überlassen. Da aber sechs Bundesländer auf ein gebührenpflichtiges Erststudium in Karlsruhe klagen und es eine häufig vertretene Meinung ist, dass es in 5 bis 10 Jahren auf jeden Fall zu allgemeinen Studiengebühren kommen wird, bezieht sich diese Stellungnahme auf die generelle Diskussion zur Einführung von Studiengebühren.
1. Warum Studiengebühren?
Die Forderung nach einer Einführung von Studiengebühren begründet sich aus folgenden Motivationen heraus:
- Es wird als sozial ungerecht gesehen, wenn beispielsweise Krankengymnasten ihre Ausbildung teuer bezahlen, ein Arztstudium aber frei ist, wenn die Meisterausbildung selbst bezahlt werden muss, ein Betriebswirtschaftsstudium aber kostenfrei ist. Als ebenfalls sozial ungerecht werden u.a. Kindergartengebühren für den Beginn der Ausbildung gegenüber einem kostenlosen Studium diskutiert.
- Mit den Einnahmen aus den Studiengebühren sollen gezielt studienverbessernde und -verkürzende Maßnahmen finanziert werden, für die der Bund und die Länder trotz des vorauszusetzenden Eigeninteresses nicht bereit sind zu zahlen.
- Werden die Studierenden aufgrund der Studiengebühren zu „zahlenden Kunden“ der Universität, wären Ansprüche auf ein kurzes und exzellentes Studium auch juritisch leichter durchsetzbar. Der gleichzeitig eröffnete Wettwerb unter den Universitäten bietet damit die Chance auf eine Qualitätsverbesserung bzw. -sicherung der Lehre.
- In einigen Bundesländern bereits eingeführte Gebühren für Langzeitstudierende sollen motivieren, das Studium schneller zu beenden, um unter anderem auf dem internationalen Arbeitsmarkt bessere Chancen zu haben.
- Die Begründung „was nichts kostet, ist nichts wert“ wird vor allem genannt, wenn ausländische, insbesondere asiatische Studierende gewonnen werden sollen. Hierzu wird auf die USA und Australien hingewiesen, die trotz teilweise sehr hoher Gebühren den circumpazifischen Bildungsmarkt beherrschen. Aber auch bei deutschen Studierenden bzw. der Gesellschaft soll ein intensiveres Kostenbewusstsein für Bildung entwickelt werden.
2. Voraussetzungen für die Einführung von Studiengebühren
- Konsens herrscht darüber, dass die Einführung von Studiengebühren sozialverträglich sein muss, d. h. Studierwilligen ohne ausreichendem finanziellen Hintergrund muss ein Studium über Stipen-dien, Kreditmodelle (BAFÖG) etc. ermöglicht werden.
- Einigkeit herrscht auch darüber, dass die eingenommenen Gebühren den Hochschuleinrichtungen direkt zu studienverbessernden und -verkürzenden Maßnahmen sowie zur Gestaltung der Sozialverträglichkeit von Studiengebühren zur Verfügung stehen müssen.
3. Argumente gegen die Einführung von Studiengebühren
- Ein kostenfreies Erststudium garantiert am besten Chancengleichheit für alle unabhängig von ihrer sozialen Herkunft.
- Aufgrund des vorausgesagten künftigen Mangels an Akademikern/Hochqualifizierten müssen Studierende angeworben anstatt durch Gebühren abgeschreckt werden.
- Ein hoher Prozentsatz der Studierenden muss sich den Lebensunterhalt selbst verdienen. Dadurch verlängerte Studienzeiten würden sich durch die Einführung von Gebühren noch weiter verlängern bzw. wäre für viele nicht mehr finanzierbar. Dies trifft besonders auf das geowissenschaftliche Studium zu, das aufgrund der Kosten für Geländeübungen und Diplomkartierung grundsätzlich sehr teuer ist.
- Das zwanghafte Verkürzen der Studiengänge und der gleichzeitige höhere finanzielle Anspruch des Studiums führt zu uniformen Studienabgängern, deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt gegenüber individuell gestalteten Studienverläufen schlechter sind. Dies ist besonders vor dem Hinter-grund eines immer flexibler werdenden Arbeitsmarktes mit immer unschärfer werdenden Stellenprofilen zu beachten. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass sogenannte „Patchworkkarrieren“ zum Normalfall werden. Ein individuell gestaltetes Studium mit gewissen Freiräumen zur Profilierung stellt gerade in den Geowissenschaften ein Sprungbrett für künftige, auch noch nicht erkenn-bare Karrieren dar. Die immer wieder geforderten Zusatzqualifikationen wie Sprachen, Informatik, Betriebswirtschaft, Jura, Umweltwissenschaften etc. werden durch Gebühren nicht gefördert.
- Als aktuelles Beispiel zur Verwendung von Studiengebühren sei Niedersachsen genannt. Langzeitstudiengebühren sind dort bereits seit WS 2002/2003 eingeführt (€ 500.- pro Semester). Wie im Juni offiziell bekannt wurde, kommen diese Gebühren jedoch nicht den Universitäten für studienverbessernde oder -verkürzende Maßnahmen zu, sondern werden zur Sanierung des niedersächsischen Haushaltes verwendet. Ab nächstem Jahr sollen die Gebühren in Höhe der erwarteten ca. 15 Mio. Euro an die Universitäten fließen, aber erst nachdem der Hochschulhaushalt vorher um 40 Mio. Euro gekürzt wird. Gleichzeitig wurde bekannt, dass das Land die Graduiertenförderung nach (!) Bewerbungsschluss und Begutachtung ausgesetzt hat. Hier ist also nicht erkennbar, dass Gebühren für studienverbessernde und -verkürzende Maßnahmen verwendet werden. Im Gegenteil, durch den weiteren Abbau von Stellen und dem gleichzeitigen Anspruch an die Universitäten mehr Studierende zu gewinnen und ein hohes Forschungsniveau zu halten bzw. anzustreben, werden sich die Studienbedingungen verschlechtern. In den Geowissenschaften wird diese Situation noch durch ein hausgemachtes Problem verschärft. Vor allem im Mittelbau werden immer mehr geowissenschaftliche Stellen von spezialisierten Physikern, Chemikern, Biologen etc. besetzt, um die For-schung als Dienstleister zu stützen. Für eine Lehre bzgl. geowissenschaftlicher Kernkompetenzen fallen diese Stellen dann aus und müssen von immer weniger Dozenten/Innen übernommen werden. Fachfernere Kompetenzen oder Dienstleistungen könnten dabei leicht über interdisziplinäre Kooperationen eingeholt werden.
- Zusätzlicher hoher, unproduktiver und kostenintensiver Verwaltungsaufwand sowohl für die Studiengebühren als auch für die Schaffung sozialverträglicher Maßnahmen. Auch hier sei als aktuelles Beispiel Niedersachsen genannt: die für 2003 erwarteten Einnahmen von 15 Mio. Euro beliefen sich bis 31. Juli 2003 auf nur vier Mio. Euro, die zudem direkt in die Landeskasse abgeführt wurden. Die niedersächsischen Unis haben aber aufgrund des zusätzlichen Verwaltungsaufwandes zusätzliche Kosten von 300.000 Euro. Die Folge ist, dass die Unis aufgrund der Langzeitstudiengebühren auf Kosten von Lehre und Forschung noch mehr Geld in die Verwaltung stecken müssen und die Langzeitstudiengebühren für die Unis ein Minusgeschäft ist.
FAZIT:
Es gibt vielfältige und auch stichhaltige Argumente zur Einführung von Studiengebühren. Leider zeigen entsprechende Versuche, dass die Einführung von Studiengebühren bisher keinesfalls zur Verbesserung der Studiensituation in Deutschland geführt haben. Dieses bezieht sich sowohl auf die Situation der Studierenden als auch auf die aus berufsständischer Sicht ebenso bedeutende Situation des universitären Nachwuchses, des Mittelbaus und der Professorenschaft.
Langzeitstudiengebühren, die de facto zur Sanierung von Landeshaushalten bei gleichzeitiger Haushalts- und Stellenkürzung an den Universitäten genutzt werden, sind ebenfalls nicht vertretbar, da auch sie keinen Beitrag zur Verbesserung der Lehrsituation an der Hochschule mit sich bringen.
Es muss befürchtet werden, dass die Einführung von generellen Studiengebühren mittelfristig durchgesetzt wird, ohne dass das eigentliche Ziel der Verbesserung von Lehre und Forschung erreicht werden kann. Dieses aber ist für den BDG nicht akzeptabel, da es die Hochschulen noch weiter belasten und mit weiteren bürokratischen Bürden auf dem globalen Bildungsmarkt weiter abrutschen lassen dürfte.
Daher fordert der BDG:
- Die Politik darf sich nicht durch einseitig belastende Finanzierungsmodelle aus der Verantwortung stehlen!
- Der BDG lehnt eine generelle Einführung von Studiengebühren ab, solange diese nicht nachweislich zu verbesserten Studien- und Lehrbedingungen führen.
- Die Stärkung der Hochschulen zur Verbesserung der Studiensituation, die Verbesserung der Infrastruktur und Förderung der Autonomie sind nach wie vor unverzichtbare Ziele, für die sich alle Verantwortlichen nachdrücklich einsetzen müssen.
Quelle: Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler (BDG)
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