Deutsche Mineralogische Gesellschaft

Willkommen auf der Webseite der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft e.V. (DMG)

Wort des Vorsitzenden 

DMG-Vorsitzender Prof. Horst Marschall

Liebe Mitglieder und Freunde der DMG, „Inter arma silent musae – unter Waffen schweigen die Musen“, stellte 1917 Wilhelm von Bode, Kunsthistoriker und Generaldirektor der Königlich Preußischen Museen zu Berlin in Abwandlung eines Cicero-Zitates fest. Die Musen, das sind in der griechischen Mythologie Töchter des Zeus und der Mnemosyne (der Erinnerung), die für die schönen Künste und die Natur- und Geisteswissenschaften zuständig sind. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 lässt Putin nun die Waffen sprechen und unter anderem von der EU wurde eine umfangreiche Liste an Sanktionen beschlossen, um den Aggressor vor allem auf ökonomischer Ebene zu isolieren. Der Sinn wirtschaftlicher Isolierung erschließt sich sofort, da etwaige Devisengewinne der Stärkung des Militärs dienen.

Beim Ausschluss russischer Sportler von internationalen Sportveranstaltungen laufen die Meinungen hingegen stärker auseinander. Bestraft man einzelne Athletinnen und Athleten nicht über die Maßen, besonders wenn sie sich gegen den Krieg ausgesprochen haben? Klar ist, dass sportliche Erfolge immer auch propagandistisch ausgeschlachtet werden und man dem Diktator keine Bühne bieten will. Wie aber sieht es bei wissenschaftlicher Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen an russischen Institutionen aus? Ist es vertretbar und empfehlenswert, sämtliche deutsch-russischen Forschungskooperationen ruhen zu lassen? Bekanntermaßen hatte die Allianz der Wissenschaftsorganisationen schon Anfang März 2022 empfohlen, Kooperationen mit staatlichen Institutionen in Russland einzufrieren, und viele Universitäten und große Forschungseinrichtungen wie das CERN und DESY hatten diese Empfehlung sehr schnell umgesetzt. Die DFG nimmt seither auch weder Neuanträge noch Fortsetzungsanträge entgegen, denen eine deutsch-russische Kooperation zugrunde liegt. Es sollen weder Daten noch Proben oder Geräte ausgetauscht werden, es sollen keine Gastaufenthalte in Russland stattfinden und selbstverständlich soll es keine Finanztransaktionen geben. 

Auch BMBF und EU-Kommission haben erklärt, dass ein Land, das einen Angriffskrieg führt und grundlegende internationale Werte missachtet, kein Partner in Wissenschaft und Forschung sein kann, und sie haben Kooperationen mit Russland und Belarus eingefroren. Hier geht es aber in erster Linie um offizielle Kooperationen zwischen den Institutionen, was ja nicht das gleiche ist wie die Kooperation zwischen einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Alle genannten Stellen haben in ihren Stellungnahmen ganz explizit unterschieden zwischen russischen Institutionen, Forschenden an russischen Institutionen und Forscherinnen und Forscher mit russischer Staatsbürgerschaft außerhalb Russlands. Für die letztgenannte Gruppe rufen sie zur Solidarität auf und warnen vor Stigmatisierung, Diskriminierung oder Isolierung an den Instituten in Deutschland und der EU – dem möchte ich mit allem Nachdruck zustimmen! 

Es bleibt die schwierige Frage nach dem Umgang mit der Kooperation mit einzelnen Kolleginnen und Kollegen in Russland (und Belarus). Dies ist keine hypothetische Frage. Sie betrifft sehr viele von uns, viele DMG-Mitglieder und viele Leser*innen von GMIT. Einige von uns haben zum Teil seit Jahrzehnten Kooperationen mit Kolleginnen und Kollegen in Russland gepflegt und es haben sich viele Freundschaften entwickelt. Auch haben sich gleich zu Beginn des Krieges in einem offenen Brief etwa 7.500 Wissenschaftler*innen in Russland ganz entschieden und in aller Deutlichkeit und Eindeutigkeit gegen den Krieg ausgesprochen. Das Argument, dass man mit dem vollständigen Abbruch aller Kooperationen auch diese Gruppe trifft, lässt sich nicht ignorieren. Und schon vor dem Krieg waren es ja gerade die weltoffenen, kosmopolitischen Individuen, die eine internationale Kooperation angestrebt und aufgebaut haben, so dass man jetzt die Falschen bestraft und die Nationalisten in ihrer ohnehin selbstgewählten Isolation gar nicht erreicht.

Internationale Netzwerke von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit regem fachlichem und persönlichem Austausch sind außerdem geeignet, ähnlich wie Städtepartnerschaften, friedensstiftend und als Keimzelle für eine Annäherung zu dienen. Andererseits ist klar, dass prestigeträchtige wissenschaftliche Entdeckungen, ähnlich einer sportlichen Auszeichnung, eben auch Prestige für den Aggressor bedeuten und dass eine Vielzahl aktiver Forschungskooperationen vom Diktator dankend aufgegriffen und propagandistisch ausgeschlachtet würde als Beleg für eine vermeintlich fehlende Unterstützung der staatlichen Sanktionen unter den europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. 

Am CERN, wo zwischenzeitlich hunderte von Manuskripten unveröffentlicht auf Eis lagen, hat man sich jetzt auf eine praktische Lösung geeinigt: Alle Autorinnen und Autoren werden namentlich und mit ihrer ORCID genannt, jedoch werden in der Publikation selbst keine russischen Affiliationen genannt; diese erscheinen nur in den Metadaten. Dies ist eventuell vergleichbar mit Sportlern, die ohne Kennzeichnung der Nationalität unter der olympischen Flagge antreten. 

Ein weiteres Problem, für das es bisher keine Lösung gibt, sind langfristige Forschungsprojekte mit internationaler Beteiligung innerhalb Russlands, die auf die Datenerhebung vor Ort angewiesen sind. Im Bereich der Geowissenschaften ist hier vor allem die Untersuchung des Permafrostbodens in der sibirischen Arktis und seiner Veränderung im Zuge des anthropogenen Klimawandels zu nennen. In der gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Beirat der DMG im Februar wurden einige dieser Punkte anlassbezogen diskutiert. Es lag die Anfrage eines DMG-Mitglieds zur Reiseunterstützung vor, um Forschungsergebnisse aus einer aktiven Kooperation mit einer russischen Universität auf einer internationalen Konferenz präsentieren zu können. Der Vorstand entschied negativ über den Antrag, da diese Art der offiziellen Kooperation zwischen den Institutionen nicht die finanzielle Unterstützung der DMG erhalten kann. Die Entscheidung wäre wohl anders ausgefallen, wenn die Autorinnen und Autoren, nach dem Vorbild des CERN, die russische Affiliation nicht genannt hätten. Damit eröffnet sich vielleicht in der Zukunft ein Weg für die Musen und für den Erhalt der Netzwerke als friedensschaffende Kräfte.

— Euer/Ihr Horst Marschall

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